David Cook, Der Zweitbeste

David Cook, Der Zweitbeste

Graham John Holt ist Einzelkind bzw. inzwischen „Einzelerwachsener“, Eigenbrötler, Postbeamter und Besitzer des der Post angeschlossenen Dorfladens, ledig, ohne soziale Kontakte und eifriger Listenschreiber. „Listen waren meine große Manie, mein Gerüst für den Alltag: … Und mit Stecknadeln oder Kreuzchen neben dem Benötigten, Be-stellten und  Geklärten, oder mit dicken Strichen durch Erledigtes … nahm mein Leben seinen Lauf.“ Und mit einer solchen Liste beginnt auch die Wende in seinem Leben.“ Zwischen Brot, Milch, Teebeutel, Lunch (Schinken oder Fleischpastete), Zucker und Chinakohl hatte ich ganz in Gedanken die Worte gekritzelt: Ein Sohn.“
Dieser Graham also bemüht sich um die Adoption eines Kindes. Aber geht das überhaupt? Überall trifft er auf Skepsis und Misstrauen. Seine „Jungfürsorgerin“ und „Tanktop-Bernie“, der Betreuer des zehnjähirgen James, der zur Adoption freigegeben ist, sowie Margery, die Lehrerin des Vorbereitungsunterrrichtes für Adoptions-willige, befragen ihn, überprüfen seine Antworten, stochern in seiner Vergangenheit herum, befragen ihn nach dem Sinn seines Lebens, wollen von ihm wissen, wie er einem Jungen mit Heimvergangenheit, der als schwierig, aggressiv beschrieben wird, Vater sein will.
Auf vieles weiß Graham keine Antwort, vielmehr stellt er sich der Vergangenheit mit seinen Eltern und den damit wieder hochkommenden Gefühlen und ist dabei so authentisch, dass sich ohne große Worte und Gesten eine zarte Beziehung zwischen ihm und James entwickelt und ein Verständnis, dessen Graham sicher nur fähig ist, weil er selbst Außenseiter ist, der sich nach Liebe und Geborgenheit sehnt. Und über ihrem Verhältnis auf Probe schwebt lange das Damoklesschwert der Ablehnung durch den Adoptionsausschuss. „Und nachdem ich nun all die Broschüren und Bücher gelesen … habe und von den verschiedenen Fürsorgern begutachtet und belehrt wurde, habe ich genug gelernt, um zu wissen, daß diese Adop-tion nie gut gehen kann. Bisher geht sie gut.“
Es ist ein sehr leiser Roman, der den Leser den langsamen Prozess der beiden zueinander miterleben lässt, mit tiefen Unsicherheiten auf beiden Seiten. Ein Roman, der auch das immer wieder oder immer noch aktuelle Thema von notwendiger körperlicher Nähe und Geborgenheit auf der einen und von Missbrauch auf der anderen Seite anspricht.

David Cook, Der Zweitbeste, Roman Aus dem Englischen von Otto Bayer, Zürich 1994, 305 S. ISBN 3-257-06020-3

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