Djaïli Amadou Amal, Die ungeduldigen Frauen

Djaïli Amadou Amal, Die ungeduldigen Frauen

Djaïli Amadou, die Autorin dieses Romans, wurde selbst mit 17 Jahren zwangsverheiratet und kennt die „Tiefen und Formen der Unterdrückung einer Frau“ aus eigener Erfahrung. Sie sagt über ihren Roman: „Diese Geschichte ist eine Fiktion nach wahren Begebenheiten.“

Ihr Roman „Die ungeduldigen Frauen“ erzählt von drei Frauen, von Ramla, Hindou und Safira – jeweils aus der subjektiven Ich-Perspektive – alle zwangsverheiratet, die nie danach gefragt worden sind, ob sie mit dem Zukünftigen überhaupt verheiratet sein wollen.

Ramla geht zur Schule und träumt davon, Pharmazie zu studieren. Sie will Apothekerin werden und schlägt deshalb alle Heiratsangebote aus, bis sie Amadou kennenlernt, einen jungen Mann, mit dem sie weggehen und sich eine Zukunft vorstellen kann, in der auch ihre Träume wahr werden können. Der Vater ist zunächst einverstanden. Bis dann Alhadji Issa kommt, ein reicher Fünfzigjähriger auf der Suche nach einer Zweitfrau. Ihr Vater löst die bestehende Verlobung auf: „Das Schicksal hat anders entschieden.“

Proteste ihres solidarischen Bruders, ihres Ex-Verlobten und eigener Protest wird im Keim erstickt, denn der Vater hat die Möglichkeit, Ramlas Mutter aufgrund des rebellischen Verhaltens ihrer Tochter, für die aber sie schuldig gesprochen wird, mit ihren Kindern zu verstoßen. Sie würden dann mittellos nicht wissen wohin. Denn auch die eigene Ursprungsfamilie könnte sie nicht wieder aufnehmen. Es ist ein kaum zu entflechtendes Gestrüpp, in dem Frauen selten Möglichkeiten haben, eigenständig zu leben. Ramla denkt auf der Fahrt zu ihrem Zukünftigen: „Man nimmt mir mein Leben!“ Und sie kann nichts dagegen tun – noch nicht.

Es ist Sache der Väter, die aus eigenen, höchst unterschiedlichen Motiven wie Ehre, Ansehen, Verpflichtungen, Gier ihre Töchter verheiraten und sich damit einer Bürde erledigen, die sie mit der Geburt einer Tochter auf sich geladen bekommen:

Eine „Tochter muss so früh wie möglich verheiratet werden, um ihrem Vater schlimmste Qualen zu ersparen. … Mein Vater wird verschont bleiben. Er hat seine Töchter traditionsgemäß verheiratet. Er hat seine von Gott auferlegte Pflicht erfüllt. Er hat seine Töchter großgezogen und ihren von Gott auserwählten Beschützern als Jungfrauen übergeben. Damit hat er die Last einer schweren Verantwortung abgelegt.“

Nur dass die Beschützer zum einen nicht von Gott auserwählt wurden – der dient als „Deckmäntelchen“ für eigene egoistische Motive – und zum anderen alles andere als Beschützer sind. Im Gegenteil.
Hindou und ihre gesamte Familie wissen, dass der Zukünftige drogenabhängiger Alkoholiker ist und zu maßlosen Wutausbrüchen neigt, die er auch mit Gewalt ausagiert. Und schon in der ersten Nacht wird Hindou verprügelt und vergewaltigt. Schuld ist natürlich nicht er, sondern sie.

Und: Vergewaltigung in der Ehe gibt es nicht. Ein Mann hat immer seine Gründe, Verantwortung für sein Verhalten muss er nicht übernehmen, im Zweifelsfall ist es Schicksal oder der Wille Allahs. Als Eigentum ist die Frau ihrem Ehemann völlig ausgeliefert. Auch ihre Versuche, sich gegen die immer brutaleren und lebensgefährlicheren Ausbrüche zur Wehr zu setzen, erreichen nicht das Gewünschte. Hindou wird aufgrund ihrer von Todesangst genährten Verhaltensweisen für geisteskrank erklärt und festgebunden. In ihr schreit es: „Nein ich bin nicht verrückt. Was hindert ihr mich am Atmen? Was hindert ihr mich am Leben?“

Das einzige „Rezept“ – das gebetsmühlenartig allen Frauen vor der Ehe an die Hand gegeben wird – ist: Geduld. „Das ist alles, was zählt: in der Religion, unseren Bräuchen, unserem pulaaku. Geduld soll von nun an euer Leben bestimmen. Schreibt euch das ins Herz, wiederholt es immer wieder im Geiste! Munyal – vergesst das nie.“

Jedem Abschnitt, der einer Frau vor dem Erzählen ihrer Geschichte vorbehalten ist, ist ein Sprichwort vorangestellt, indem es um Geduld geht. Sprüche, die man hier gern ins Poesiealbum schreiben würde, die aber die Lebenswirklichkeiten der betroffenen Frauen eher konterkarieren:

Ramla: „Ein Herz ist so groß wie seine Geduld.“
Hindou: „Am Ende der Geduld wartet der Himmel.“
Safira: „Geduld ist eine Kunst, die viel Geduld erfordert.“

Geduld soll auch Safira haben, der mit Ramla eine Zweitfrau vor die Nase gesetzt wird. Auch sie ist – nach zwanzig Ehejahren – vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Gerüchte über Ramla haben sie ihr von vornherein zur Feindin gemacht, die beseitigt werden muss. Das ist ihr erklärtes Ziel, das sie – geduldig – mit allen Mitteln verfolgt.

Der Roman zeigt wie patriarchalischen Strukturen im Norden Kameruns männliche Vorherrschaft immer noch festigen, Zwangsheirat, Polygamie ermöglichen und häusliche Gewalt begünstigen, da das Recht immer auf der Seite der (reichen) Männer steht. Frauen werden nicht einmal angehört. Und dennoch beginnen sie – zumindest innerlich – zu rebellieren, erkennen, warum und womit sie Geduld haben sollen, die letztendlich nichts weiter ist als die Aufforderung, alles zu erdulden.

Dass Bildung eine Möglichkeit darstellt, Veränderungen zu bewirken, haben sowohl einige Frauen erkannt, die lesen und schreiben, ihren Führerschein machen wollen, um sich wenigstens ein Stück Freiheit und Selbstständigkeit zu erobern. Aber auch die Männer, die reflexartig mit Verboten und weiteren Einschränkungen reagieren. Dass die Thematik hohen Aktualitätsgrad hat, erkennt man an dem erst vor kurzem gefassten Verbot der Taliban, Mädchen länger zur Schule gehen zu lassen.

Und auch ich habe mich in einigen Sätzen und Formulierungen an mein sehr katholisch, konservatives Elternhaus erinnert und an die Unterschiede, die zwischen mir, meiner Schwester und meinem Bruder gemacht worden sind. Und so lange ist es auch noch nicht her, dass hier „Vergewaltigung“ in der Ehe strafrechtlich verfolgt werden kann und „die Frau“ – wie man im Hessischen sagt – nur zum Elternabend in der Schule durfte, nicht aber zum anschließenden geselligen Beisammensein in einer Kneipe.

Die Tatsache, dass solche Romane geschrieben und hoffentlich auch gelesen werden, zeigt: Veränderungen sind notwenig und möglich. Mögen die betroffenen Frauen Unterstützung und Solidarität finden.

Gewünscht hätte ich mir allerdings ein Glossar im Anhang über – zumindest für mich – unbekannte Begriffe, die man sich zwar meist aus dem Zusammenhang erschließen kann, auf die aber auch Mr. oder Mrs. Google keine Antwort wissen.

Djaïla Amadou Amal, Die ungeduldigen Frauen, übersetzt v. Ela zum Winkel, Roman, Orlanda Verlag, Berlin 2022, 175 S., ISBM 978-3-949545-02-3

2 Gedanken zu „Djaïli Amadou Amal, Die ungeduldigen Frauen

  1. Ein zutiefst trauriges Kapitel, beschämend und unmenschlich.
    Ich glaube, ich könnte das Buch nicht lesen.
    Und doch muss man hinhören, hinschauen und mit allen Mitteln dagegenhalten.
    Einen nachdenklichen Gruss,
    Brigitte

  2. Ja, das Lesen solcher Bücher ist zutiefst herausfordernd, kann m.E. aber zu einer zunehmenden Sensibilität für Ungerechtigkeiten jeder Art führen, denen Frauen ja auch hierzulande immer noch ausgesetzt sind, wenn vielleicht auch nicht in diesem Maße.
    Grüße nachdenklich zurück.

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