Ganzjahrestomate und anderes Plastikdeutsch
Das von Walter Krämer und Roland Kaehlbrandt geschriebene „Lexikon der Sprachverwirrungen“ ist ein Buch für Sprachliebhaber und/ oder Menschen, denen es wichtig ist, Sprachungetüme zu entlarven, dennoch ihren Unterhaltungswert mitzubekommen und sich darüber zu amüsieren, um dann auf Worte zurückzugreifen, die das aussagen, was sie meinen und nicht als „Plastikdeutsch“ früher oder später auf dem Sprachmüll landen, den Hans Magnus Enzensberger 1979 in einem ZEIT Artikel bereits als Komposthaufen bezeichnet hat, auf dem dann Sprachneuschöpfungen wachsen können.
„Neue Wörter sammeln ist wie Augenblicke sammeln.“ so beginnt das Lexikon, das erst eine kurze Einführung ins Thema und die Vorgehensweise der Autoren gibt und dann, nach dem Alphabet geordnet, einen Blick auf die Wörtersammlung freigibt, auf die „neuen Wörter der Jahre Null“ . Da begegnen einem Wörter wie: Fortsetzungsfamilie, Führungsbiotop, neue Ernsthaftigkeit oder Lösungsraum. Die Erläuterungen sind humorvoll bis bissig. Manch einer wird sich „auf den Schlips getreten fühlen“, wenn er die Erklärung für Latte Macciato liest:“ Schickimickideutsch für einen dünnen Milchkaffe. … Aber wer würde sich das trübe Modegetränk bestellen, wenn er wüßte, daß es „Schmutzigmilch“ dedeutet? Dieselben Zeitgnossen, die lieber Pasta als Nudeln essen und denen der Grauburgunder besser schmeckt, seitdem er Pinot Grigio heißt.“ (S. 137)
Den Kapiteln vorangestellt sind Zitate bedeutender Personen zum Thema Sprache, dem „O“ etwa folgendes Zitat Arthur Schopenhauers:
„Das Schlimmste an der Sache ist, daß allgemach eine junge Generation heranwächst, welche, da sie stes nur das neueste liest, schon kein anderes Deutsch mehr kennt als diesen verrenkten Jargon des impotenten Zeitalters, welches sich ein Gewerbe daraus macht, die deutsche Sprache zu demolieren.“
Walter Krämer/ Roland Kaehlbrandt, Die Ganzjahrestomate und anderes Plastikdeutsch, Ein Lexikon der Sprachverirrungen, München 2007, 255 S., ISBN 978-3-492-04973-6