Grazia Deledda, La madre

Grazia Deledda, La madre

„Sie war völlig verändert. … An einem einzigen Tag hatte der Schmerz sie um zwanzig Jahre altern lassen.“

Sie, das ist Agnes, die Geliebte eines katholischen Priesters, der sich auf Drängen seiner Mutter per Brief, den diese zu überbringen hat, von seiner Geliebten lossagt, um dann am Abend wieder zu ihr zu gehen und ihr klar zu machen, weshalb sie sich nicht mehr sehen können: „Aber es muß so sein; für dein Wohl, für deine Rettung.“ Doch Anges geht ihm, seinen Erklärungen nicht auf den „Leim“ :“Nein, nein, das ist nicht die Wahrheit. … Jetzt hat dich jemand entdeckt, vielleicht sogar deine Mutter, und du hast Angst vor der Welt. Es ist nicht die Angst vor Gott, die dich dazu drängt, mich zu verlassen.“
Die alleinerziehende Mutter, deren Lebenziel es gewesen ist, ihren Sohn Priester werden zu lassen und dafür alles geopfert hat, beginnt, sich angesichts der Qualen ihres Sohnes zu fragen: „Warum, o Herr, konnte Paulo nicht eine Frau lieben?“ und erschrickt gleichzeitig über ihre ketzerischen Gedanken. Denn eine Entdeckung dieses Verhältnisses würde unweigerlich ihren Lebensinhalt, gleichzeitig aber auch ihre Lebensgrundlage und die ihres Sohnes zerstören.
Der bereits 1920 erschienene schlicht und dennoch eindringlich geschriebene Roman der Literaturnobelreisträgerin Grazia Deledda hat hinsichtlich des Zölibats und des Umgangs der Kirche mit den Betroffenen nichts an seiner Aktualität eingebüßt. Schön finde ich, dass der Roman nur erzählt, selten wertet. Da hat (meine) alte Wut auf die Verlogenheit und Unmenschlichkeit der Amtskirche die Möglichkeit, Raum einzunehmen. Ich kann sie betrachten und beiseite legen.

Grazia Deledda, La madre, Zürich-Hamburg 1994, 165 S., Mit einem Nachwort von Uta Ranke-Heinemann. Aus dem Italienischen von Hans-Norbert Hubrich, ISBN 3-7160-2178-4

Ein Gedanke zu „Grazia Deledda, La madre

  1. Huhu Monalisa!

    Danke für Deinen Kommentar zu Schilf im Wind und Deinen Hinweis auf Deine Rezension zu „La madre“.

    Mal sehen, vielleicht schaffe ich es ja dieses Jahr noch einen weiteren Roman von Grazia Deledda zu lesen.

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