Joan Didion, Das Jahr magischen Denkens
Das Leben ändert sich schnell.
Das Leben ändert sich in einem Augenblick.
Man setzt sich zum Abendessen, und das Leben,
das man kennt, hört auf.
Die Frage des Selbstmitleids.
Das sind die ersten Worte Joan Didions, die sie nach dem Tod ihres Mannes John aufgeschrieben hat. Danach herrscht für lange Zeit Sprachlosigkeit, weil für sie das Herausgerissenwerden aus einem ganz gewöhnlichen Alltag kaum zu glauben ist, lange für irreal gehalten wird und daher kaum in Worte, in Sprache zu fassen ist. Hinzu kommt, dass ihre Tochter zu der Zeit, als ihr Vater stirbt, auf einer Intensivstation liegt. Joan Didion kommt lange Zeit kaum dazu, den Verlust ihres Mannes zu bewältigen zu betrauern. Oder sollte man eher sagen, sie nimmt sich diese Zeit nicht? „Bisher war ich nur in der Lage gewesen, zu leiden, nicht aber zu trauern. Leid war passiv. Leid geschah. Trauern, die Auseinandersetzung mit Leid, verlangte Aufmerksamkeit.“
Dann allmählich erwacht sie aus ihrer Erstarrung und beginnt, den Verlust zuzulassen und zu bearbeiten durch Erinnerungen an gemeinsame Jahre mit gemeinsamen schriftstellerischen Arbeiten, durch Lesen von Literatur, die sich mit Fragen nach Leben, Tod und Sterben befassen.
Dieses Buch ist eine Mixtur aus Erinnerungen, Zitaten aus eigenen und fremden Werken, vermischt mit Berichten über die Krankheiten der Tochter, die sich fast schon wie medizinische Abhandlungen lesen, und Versuchen, die eigene Situation zu begreifen und nach und nach Worte zu finden, die verschiedenen Stadien zu beschreiben und zu bewältigen: den Schock zu Beginn, das Funktionieren, das Beibehalten von ehemals gemeinsamen Ritualen und Gewohnheiten, später das zaghafte Nachdenken darüber, „was nötig wäre, um das eigene Leben wiederaufzunehmen“, verbunden mit der Sorge, dass die Erinnerungen an den gelieben Partner mit der Zeit schwammiger werden. Und dann der erste Jahrestag seines Todes: „Mir wurde heute zum ersten Mal klar, das meine Erinnerung an diesen heutigen Tag vor einem Jahr eine Erinnerung ist, die John nicht mit einbezieht.“
Joan Didion, Das Jahr magischen Denkens, aus dem Englischen von Antja Rávic Strubel, Berlin 2008, 251S. ISBN 978-3-548-60770-2
4 Gedanken zu „Joan Didion, Das Jahr magischen Denkens“
dieses buch zu lesen habe ich mich bis heute noch nicht getraut! zumal die tochter auch gestorben ist. wieso wird man da nicht verrückt?
DIR wünsche ich gute zeiten!!!
Sonia
Das habe ich nicht gewusst, in den Aufzeichnungen ist davon nicht die Rede!