Primo Levi, Ist das ein Mensch?

Primo Levi, Ist das ein Mensch?

„Ist das ein Mensch?“(1947 zum ersten Mal erschienen) und „Die Atempause“ (Erscheinungsjahr 1963) liegen nun in einer neu durchgesehenen Übersetzung in einem Band mit Dünndruckpapier und Lesezeichen vor, unterstützt von der „Stiftung Erinnerung Lindau“.

Ein Buch von Primo Levi, geschrieben mit dem Ziel, „Zeugnis abzulegen, das deutsche Volk meine Stimme hören zu lassen und dem Kapo, der sich die Hand an meiner Schulter säuberte, dem Doktor Pannwitz, denjenigen, die den Letzten erhängten, und ihren Erben zu ‚antworten‘.“
Und er lässt seine Stimme hören, will Zeugnis ablegen. Dazu wählt er die „nüchterne Sprache des Augenzeugen …, nicht die klagende des Opfers, nicht die zornbebende des Rächers.“

Rache, Hass liegen ihm fern, wie im Anhang zu lesen ist. So lesen sich die Aufzeichnungen aus dem KZ Auschwitz (Ist das ein Mensch?) und der Zeit von der Befreiung aus dem KZ bis zu seiner Heimkehr nach Italien (Atempause) wie ein sachlicher Bericht, der die Grausamkeiten, Unmenschlichkeiten nicht auslässt, eine Be- oder Verurteilung aber dem Leser überlässt. Ihm obliegt es, sich die menschlichen Abgründe vorzustellen, über die Levi schreibt.

Für Levi ist eins sicher: „Ohne die Zeit in Auschwitz hätte ich wahrscheinlich nie ein Buch geschrieben.“ Seine Welt war vorher eher die Welt der Physik und Chemie, nicht die des Wortes. Sein persönliches Fazit dieser Zeit fällt insgesamt eher positiv aus: „Durch das Erleben, Überdenken und Schildern jener Geschehnisse habe ich viele Dinge über die Menschen und die Welt gelernt.“ Er zitiert eine Überlebende von Ravensbrück, für die das Lager ihre Universität gewesen sei.

Doch nur etwa fünf Prozent der italienischen Deportierten sind überhaupt zurückgekehrt. Ob sie diese Zeit ebenfalls als Lehrzeit bezeichnen, erfahren wir nicht. Das hängt sicher auch von der Fähigkeit des Einzelnen ab, Krisen, Katastrophen als Lern- und Entwicklungsmöglichkeit zu begreifen.

Primo Levi, Ist das ein Mensch? Die Atempause, a.d. Ital. v. Barbara und Robert Picht, kommentiert v. Marco Belpoliti, München 2011, 615 S., ISBN 978-3-446-23744-5

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