Im Wartezimmer

Im Wartezimmer

Für mich ist nur mit innerer Distanz und (Galgen-)Humor das, was einen in manchen Praxen erwartet, auszuhalten.
Am Empfang sage ich, wie ich heiße und dass ich heute einen Termin habe. Routinemäßig werde ich nach meinen Daten gefragt. „Ich bin erst am Freitag hier gewesen. Seitdem hat sich nichts geändert.“ „Hat sich Ihre Telefonnummer geändert.“
„Nein!“

„Wo sind denn Ihre Überweisung und Ihre für die Untersuchung notwendigen Blutwerte?“
„Habe ich beim letzten Mal, als der Termin von Ihrer Seite aus verschoben werden musste, hiergelassen.“
„Aha“
Sie sucht, findet, steht auf und geht zum einem Monitor, schaut und schaut und schaut,
sagt aber nichts.
„Das dauert noch.“ (als wenn ich das nicht schon längst gemerkt hätte) …


„Der Drucker druckt nicht.“

Irgendwann bekomme ich dann doch den frisch gedruckten Frage- und Aufklärungsbogen – einen Arzt zur Aufklärung bekommt man nicht zu Gesicht – und soll mich damit ins Wartezimmer setzen.
Dort sitzen mehrere Personen, mit eher düsteren Minen, Trinkflaschen mit milchiger Flüssigkeit und einen Plastikbecher neben sich.
Es zieht wie Hechtsuppe. Eine Angestellte hat sämtliche Fenster aufgerissen: „Frische Luft tut gut.“
Ja, aber nur ohne Zug. – Denke ich.

x-Angestellte gehen an mir vorbei. Keiner will meinen ausgefüllten Fragebogen, von dem Kontrastmittel keine Spur. Ich spreche eine Mitarbeiterin an. Von ihr erhalte ich dann die mir noch fehlenden Informationen, das Kontrastmittel mit genauen Anweisungen und Informationen über den Verlauf der Untersuchung. Geht doch. Ich brauche das für mich.

Dann kommen Sanitäter eines Rettungdienstes. Eine im Wartezimmer sitzende Frau muss abgeholt und ins Krankenhaus gebracht werden. Jeder bekommt mit, wohin und weshalb. Wo bleibt da die Privatsphäre und das Arztgeheimnis?
Aber der Datenschutz wird ja sooo hoch gehalten ;).
Was muss man nicht vorher alles unterschreiben, nur damit Berichte, Laborergebnisse etc. zum behandelnden Arzt (!) übermittelt werden dürfen.

Ein weiterer Patient trinkt die Kontrastflüssigkeit direkt aus der Flasche. Eine Mitwartende weist ihn darauf hin, dass er die Flüssigkeit doch langsam trinken solle und außerdem stehe da ein Trinkbecher.

„Meinense, mein Körper merkt ob et ausse Flasche kommt oder aussem Becher??“
Wahrscheinlich trinkt er sein Bier auch direkt aus der Flasche.

Endlich bin ich dran. Dort sind sie eher zugewandt. Sie schauen einen zumindest beim Reden an. Allein dafür bin ich dann schon dankbar. Sogar meiner Bitte, mir meinen Schal überzulegen, wird stattgegeben und schon geht’s mir besser.

Weshalb hat sich in Arztpraxen nicht schon überall rumgesprochen, dass und wieviel menschliche Zugewandtheit sich für alle Beteiligten auszahlt, ein Teil der Gesundwerdung ist und ja auch den Arbeitsplatz für die Mitarbeitenden menschlicher gestaltet?

Ich bin jedenfalls froh, dass das eine Praxis ist, die ich nur im Not-Fall betreten muss.

PS: Heute musste ich einen Termin absagen. Die Sprechstundenhilfe hat sich freundlich bei mir für die rechtzeitige Absage bedankt. Daraus entnehme ich, dass das offensichtlich auch nicht mehr selbstverständlich ist.

6 Gedanken zu „Im Wartezimmer

  1. oja, ich kenne ähnliches … eine mehr als schwere übung in sachen innerer distanz und galgenhumor …, ich neige nach solchen erlebnissen ja leider eher zum blutrausch! ;)))
    hoffentlich musst du wirklich nicht oft in diese praxis, also hoffentlich war wenigstens das ergebnis der untersuchung erfreulich!

    liebe grüße, andrea

    1. Das, was gecheckt werden sollte, war ok. Doch sie haben was anderes gefunden – frei nach dem
      Motto: Wer suchet, der findet – das muss jetzt noch abgeklärt werden.
      Mache mir da aber keinen Kopp – wie man hier sagt :)
      Liebe Grüße

  2. Ich teile Deine Gefühle in Arztpraxen, weshalb ich mir Termine mit ÄrztInnen sehr genau überlege, vermutlich auch zu wenige Routineuntersuchungen über mich ergehen lasse.
    Ich verbringe auch als regelmäßige Begleitung einige Zeit in Wartezimmern. Da komme ich schon ins Grübeln und bin dankbar, mich gesund zu fühlen. Aber weiß man’s denn?

    Ja, der Datenschutz, das ist eine feine Sache – in der Theorie, in der Praxis häufiger eine Katastrophe. Und Distanzlosigkeiten sind Erlebnisse, die mich beschäftigen, weil ich selbst sosehr darauf achte, niemandem unangenehm zu nahe zu kommen.
    Menschliche Zugewandtheit ist immer ein Thema, und ganz sicher vor allem in Arztpraxen, wo ohnehin viele Menschen in einer gewissen Angespanntheit zugegen sind.

    Definitiv, ein kultiviertes Benehmen und Terminabsagen, all das wird rar, es ist zu bemerken.

    ALLES GUTE DIR! Lasse liebe Grüße hier!

  3. Merci für deine lieben Grüße.
    Solche Situationen machen mich ein wenig hilflos/ ratlos, weil ich schwanke zwischen: annehmen, was ist und Dinge ansprechen, die ich für nicht in Ordnung finde.
    Doch soll ich das für andere tun, wenn ich nicht sicher weiß, ob es ihnen überhaupt auffällt, ich mit meinem Verhalten dann für sie übergriffig bin.
    In der Vergangenheit habe ich oft den Mund auf gemacht, etwa wenn es um meine Kinder ging und ich eine Diagnose für alle hörbar auf dem Flur bekommen sollte. Stirnrunzeln war die geringste Reaktion, doch ich habe es dann immer geschafft, dass wir in einen Raum konnten.
    Zeit die Tür zuzumachen war dann auch noch ;)
    Herzliche Abendgrüße

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