Sally Rooney, Gespräche mit Freunden

Sally Rooney, Gespräche mit Freunden

„Gespräche mit Freunden“ ist der Debütroman der jungen, 1991 geborenen, Irin Sally Rooney und stand schon im Erscheinungsjahr 2017 auf der Shortlist des Sunday Independent.

Bobbi und Frances, ehemals ein Paar, treten noch gemeinsam als Lyrikerinnen bei „Poetry Nights“ auf und lernen dort Melissa kennen, eine mit einem Schauspieler verheiratete Fotografin, die über die beiden berichten und dafür Fotos machen will. Der Altersunterschied beträgt circa 10 Jahre und dennoch scheinen in jeder Hinsicht Lichtjahre zwischen ihnen zu liegen. Melissa und Nick sind gesellschaftlich und finanziell gut situiert, Bobbi und Frances studieren und leben in eher prekären Verhältnissen, und sind noch dabei, ihre Position in der Gesellschaft zu finden.

Gleichwohl finden die vier Gefallen aneinander, treffen sich gemeinsam, verbringen Ferientage mit weiteren Freunden in Frankreich, und Frances, die Ich-Erzählerin, und der attraktive Nick beginnen eine Affäre, die Frances allerdings nicht wirklich gut tut. Doch für sie ist es eine Möglichkeit, sexuelle Erfahrungen mit einem Mann zu machen. Dass er verheiratet ist, stört sie zunächst nicht. Doch dann holen auch sie, die eher sehr unkonventionell lebt, denkt und handelt, „Ich hielt mich für einen unabhängigen Menschen, so unabhängig, dass mir die Ansichten anderer nichts bedeuteten“ eher traditionelle Vorstellungen von Beziehungen ein:

„An meiner Beziehung zu Nick hatte sich manches verändert, seit er Melissa gesagt hatte, wir wären zusammen. Ich schickte ihm tagsüber sentimentale Nachrichten, und er rief mich an, wenn er betrunken war, um mir nette Dinge zu sagen. Der Sex bleib der gleiche, aber hinterher war es anders. Statt mich ruhig zu fühlen, kam ich mir merkwürdig schutzlos vor, wie ein Tier, das sich totstellt. Es war, als könnte Nick durch die weiche Wolke meiner Haut greifen und sich alles nehmen, was in mir drin war, meine Lunge oder andere innere Organe, und ich machte keine Anstalten, ihn aufzuhalten. Als ich davon erzählte, sagt er, es ginge ihm genauso, aber er war bereits am Einschlafen und hatte vielleicht nicht richtig zugehört.“

Die Protagonisten dieses Romans führen Gespräche miteinander über Gott und die Welt, persönlich und online, und dennoch entsteht oft der Eindruck, dass sie einander nicht wirklich zuhören, nicht miteinander in Resonanz gehen, Differenzen übergehen, Konflikte vermeiden und daher auch nicht zu gemeinsamen Lösungen kommen. Wie auch, wenn jeder im Grunde mit sich selbst und seinen Befindlichkeiten beschäftigt ist.

Ja, es ist – wie auf dem Cover zu lesen – ein „Liebesreigen“, eine ménage à quatre. Doch ein Leser, der einen Liebesroman erwartet, wird bitter enttäuscht werden. Es ist eher ein Adoleszensroman aus der Perspektive der Protagonistin und Ich-Erzählerin Frances, die um Aufmerksamkeit ringt, gesehen werden will, sich aber nicht wirklich zeigen kann und in Konfliktsituationen dazu neigt, sich selbst zu verletzen.„Manchmal kam es mir so vor, als würde ich es nicht schaffen, mich für mein eigenes Leben zu interessieren, und das deprimierte mich.“

Andere müssen ihr sagen, dass sie eine „echte Schriftstellerin“ ist. Ihre Gedichte kann sie „ungefähr sechs Monate lang, nachdem ich es geschrieben hatte, aufführen, aber danach ertrug ich es nicht mehr, mich damit zu beschäftigen oder es gar öffentlich vorzutragen. … ich war froh, dass die Gedichte immer nur vorgetragen und nich publiziert wurden. Sie schwebten ätherisch im Lärm des Beifalls davon. Echte Schriftsteller, auch Maler, mussten sich ihre miesen Sachen, die sie irgendwann einmal fabriziert hatten, auf ewig ansehen. Ich hasste es, dass alles, was ich schrieb, so mies war, aber auch, dass mir der Mut fehlte, mich damit auseinanderzusetzen, wie mies es war.“

Ja, man führt Gespräche, auch Selbstgespräche, aber wirklich auseinandersetzen tut man sich nicht. Insofern ist der Roman tiefgründig oberflächlich, er zeichnet ein sicher realistisches Bild einer heute heranwachsenden Generation, die – schaut man genauer hin – ähnlich gelagerte Probleme und Themen hat, wie alle Heranwachsenden zu allen Zeiten. Die Art, die Medien, sich damit zu befassen, sind allerdings andere.

Sally Rooney, Gespräche mit Freunden, a.d. Engl. v. Zoë Beck, Luchterhand Verlag, München 2019, 382 S., ISBN 978-3-630-87541-5

5 Gedanken zu „Sally Rooney, Gespräche mit Freunden

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

%d Bloggern gefällt das: