Unerschöpflich oder aussichtslos?

Unerschöpflich oder aussichtslos?

Man kann sich die Weiten und Möglichkeiten des Lebens gar nicht unerschöpflich genug denken. Kein Schicksal, keine Absage, keine Not ist einfach aussichtslos; irgendwo kann das härteste Gestrüpp es zu Blättern bringen, zu einer Blüte, zu einer Frucht. Und irgendwo in Gottes äußerster Vorsehung wird auch schon ein Insekt sein, das aus dieser Blüte Reichtum trägt, oder ein Hunger, dem diese Frucht willkommen ist. Und sollte sie bitter sein, so wird sie doch mindestens einem Auge erstaunlich gewesen sein und wird ihm Lust gemacht haben und Neugier nach Formen und Farben und Hervorbringungen des Dickichts; und sollte sie abfallen, so fällt sie in die Fülle des Künftigen und trägt noch in ihrem letzten Zerfall dazu bei, es reicher, bunter, drängender und wachsender zu machen.

(Rainer Maria Rilke, Brief an Annette de Vries-Hummes)

6 Gedanken zu „Unerschöpflich oder aussichtslos?

  1. Rilke mag ich lieber als Hesse – aber darf man sie miteinander vergleichen? Ein bisschen schon, es waren beide zerrissene Gestalten, und Rilke hat nicht so verschroben gesprochen wie Hesse. Aber ich kenne von Hesse zu wenig. Diese obigen Zeilen mag ich sehr …

  2. Dieser Briefausschnitt spricht mich sehr an.
    Auch das härteste Gestrüpp kann es zu Blättern bringen …
    ja!
    Ich beginne zu begreifen, dass die Veränderungen meines Körpers und meines Bewusstseins, die ich gerade durchmachen „darf“, ein ganz natürlicher Prozess im Kreislauf des Lebens einer Frau sind.
    Wir Menschen sind alle in den Kreislauf des Lebens eingebunden – es ist bunt und unerschöpflich und manchmal auch beschwerlich. Dies gilt wohl für alles, das lebendig ist.
    Herzliche Grüße & Danke für diesen wundervollen Text!

  3. Es freut mich, dass du mit Rilkes Briefausschnitt in Resonanz gehen kannst.
    Ja, auch unsere Körper machen mehr oder weniger große, irgendwann dann auch sichtbare Veränderungen mit.
    Für manche ist der Umgang damit außerordentlich herausfordernd – sicher aus sehr unterschiedlichen Gründen.
    Wenn knapp vierzigjährige Frauen über ihr Alter sprechen, höre ich staunend zu.
    Ich habe in dem Alter über Alter noch nicht nachgedacht bzw. mir Gedanken oder Sorgen gemacht. Ich hatte dafür einfach keine Zeit …
    Herzliche Grüße und einen angenehmen Sonntag.

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