Arnold Zweig, De Vriendt kehrt heim

Arnold Zweig, De Vriendt kehrt heim

Der auf realen Ereignissen basierende Roman von Arnold Zweig ist das erste Mal 1932 erschienen. Der Autor gelangte bei seinen Recherchen bis nach Palästina. Es war sein letzter Roman, der in Deutschland erschienen ist, bevor der Schriftsteller Deutschland nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten verließ. Arnold Zweig, laut Wikipedia nicht mit Stefan Zweig verwandt, war Sohn eines in der zionistischen Bewegung aktiven Sattlers.

Vordergründig könnte man „De Vriendt kehrt heim“ als Kriminalroman lesen. De Vriendt ist holländischer Israelit und „Führer derjenigen Juden, die vor allem Frömmigkeit ins Heilige Land geführt hatte, und zwar zu ihrem orthodoxesten Flügel, … das religiöse Leben der privaten Sphäre überlassend.“ Mit seinen juristischen Ausführungen über den „arabischen Rechtsstandpunkt im Klagemauerstreit“ zieht sich der rothaarige Jurist den Zorn verschiedener in Jerusalem lebender Gruppen zu und kann seine juristischen Vorlesungen nicht fortführen. Zudem hat er zu einem seiner minderjährigen Schüler eine geheimzuhaltende homoerotische Beziehung.

Von Iwanow, einem Tscherkessen erfährt Irmin, ein Freund de Vriendts und wichtigster Mann des Geheimdienstes bei der englischen Verwaltung von Judäa, dass er in arabischer Sprache gehört habe: „Das Blut dieses Hundes muss sehr bald vergossen werden.“ Damit sei eindeutig de Vriendt gemeint.

Dieser Satz lässt viel Spielraum über mögliche Täter und ihre Motive zu und beunruhigt Irmin. Er überlegt, wie er seinen Freund warnen und zum Verlassen der Stadt überreden kann, ohne ihn auf seine homosexuellen Neigungen als wahrscheinlichstes Motiv anzusprechen. Also sucht er einen befreundeten Arzt, Dr. Gluskinos, auf und deutet die Gefahr, in der de Vriendt schwebt an, verbunden mit der Bitte, de Vriendt aus gesundheitlichen Gründen nahezulegen, die Stadt zu verlassen.

“ ‚Schweigen Sie! Was reden Sie da! Dr. de Vriendt ist erin strenggläubiger Mann!‘
‚Es tut mir leid, wenn ich Sie erschreckt habe, Doktor‘, antwortete Irmin.‘ Sie meinen, das gehe nicht zusammen? Ich versichere Ihnen das Gegenteil. Die Natur des Menschen gehorcht anderen Gesetzen als ihr Geist.‘ „

Doch de Vriendt wird vorm Verlassen der Stadt – er wollte sich nach Holland einschiffen – ermordet. Irmin schwört sich, den oder die Mörder zu finden und an den Galgen zubringen, egal wie lange es dauern wird. Und ja, es dauert lange.

Dieser Roman ist weit mehr als ein gewöhnlicher Kriminalroman. Er beschreibt detailliert und kenntnisreich die politische und gesellschaftliche Gemengelage des bis heute andauernden Nahostkonfliktes, an dem schon damals viele dort lebenden (religiöse) Gruppen mit sich widersprechenden, sich zum Teil sogar ausschließenden Ansprüchen, beteiligt waren:

„Jerusalem, eine Stadt ohne Wasser, ohne Wald, ohne Frieden, in der zweiundfünfzig verschiedene Nationen und Sekten einander im Geheimen verachteten … Gerade jetzt (1929) tobte der Streit um die Klagemauer, ein Kampf, der bisher nur auf Papier geführt, auf journalistischem, juristischem und von Anfang an auf fromm bedrucktem, mit Gebeten und Predigten von beiden Seiten, den Juden und den Arabern – eine Angelegenheit, die für Fremde läppisch aussah, die von der Verwaltung aus so behandelt wurde, die aber aus Dynamit bestand, aus nichts Harmloserem, weil sie den religiösen Fanatismus beider Gruppen in Brand setzen konnte.“

„De Vriendt kehrt heim“ ist ein in jeder Hinsicht anspruchsvoller Roman; die Sprache Arnold Zweigs ist geprägt durch einen fast durchgängig hypotaktischen Satzbau mit zahlreich verwendeten Adjektiven, wenn es zum Beispiel um die Charakterisierung von Personen, aber auch um die Darstellung der politischen Situation geht. Konzentration ist also von Seiten der LeserInnen notwendig. Man muss sich die Zeit nehmen, sich einzulesen. Doch dann wird man mit einem Blick in eine andere Kultur und eine andere Zeit, die „nicht weniger unser Hier und Heute“ berührt – so die VerlegerInnen Nele Holdal und Rainer Wieland – belohnt, die den Roman in einer ansprechenden Ausgabe im Schuber, mit rotem Lesebändchen herausgegeben haben.n

Arnold Zweig, De Vriendt kehrt heim, Roman. Mit einem Vorwort von Meron Mendel, vierHundertsechsunsiebzigster Band der der ANDEREN BIBLIOTHEK, Aufbau Verlag, Berlin 1932, 1933, 2024, 273 S., ISBN 978-3-8477-0482-9

4 Gedanken zu „Arnold Zweig, De Vriendt kehrt heim

  1. Vielen Dank für eine sehr ansprechende Rezension, die wahrlich zum Lesen einlädt.
    Ich mag genau solche Bücher und da das Buch auch als Krimi gelesen werden kann, findet es ganz besonders mein Interesse.
    Liebe abendliche Grüße ins Nachbarland

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