
Ein Lied

Hinter meinen Augen stehen Wasser,
die muss ich alle weinen.
Immer möcht ich auffliegen,
mit den Zugvögeln fort;
bunt atmen mit den Winden
in der großem Luft.
O ich bin traurig…
das Gesicht im Mond weiß es.
Drum ist viel samtne Andacht
und nahender Frühmorgen um mich.
Als an deinen steinernen Herzen
meine Flügel brachen,
fielen die Amseln wie Trauerrosen
hoch von blauen Gebüsch.
Alles verhaltene Gezwitscher
will wieder jubeln,
und ich möchte auffliegen
mit den Zugvögeln fort.
(Else Lasker-Schüler)
4 Gedanken zu „Ein Lied“
Oh ist das traurig-schön! Sie war einfach eine Wucht, diese Dichterin.
Lieben Heutegruss, weit optimistischer,
Brigitte
Auch das Gedicht enthält neben tiefer Traurigkeit eine Prise Optimismus in den letzen beiden Versen des Gedichtes ;)
Freundliche Grüße aus einem – wieder mal – trübem Speckhorn.
Traurig zwar – aber man delektiert das Gedicht regelrecht – was für irre schöne Bilder, Wortschöpfungen, die es so genau treffen. Wunderbar. Danke.
Ja, man kann auch Trauer, Traurigkeit ästhetisch zum Ausdruck bringen. Vielleicht schon ein Teil der Bewältigung ;)
Herzliche Grüße