Lucia Jay von Seldeneck, Komm tanzen!

Lucia Jay von Seldeneck, Komm tanzen!

„Und als die Nacht vorbei war, ging es weiter, natürlich ging es weiter, irgendwie.“ So beginnt der Roman, der mit folgenden Sätzen endet:
„Ich atme und betrete die Wohnung. Es wird gut, wir werden einen Weg finden, für jede von uns, zusammen.
Es ist nicht zu spät.“

Dazwischen liegt eine einzige Nacht – von 18:30 bis „zum Ende der Nacht“, bis Sonnenaufgang des nächsten Tages – mit Ereignissen, die Veränderungen nach sich ziehen werden. Welche, das bleibt unklar, wie die obigen Sätze deutlich werden lassen.

Erzählt wird von einer Sommerparty nach überstandener Coronazeit am Ufer des Wannsees, dort, wo nach der „Schildhornsage“ die Nixe zu Hause ist. Es wird gegessen, getrunken, erzählt, gelacht und getanzt, auch diverse Drogen sind mit von der Partie. Es sind Freunde, die sich da treffen und miteinander unbeschwert feiern wollen.

„Die Vorfreude auf diese Nacht ist mit beiden Händen zu greifen, so voll ist die Luft von ihr. … Diese Nacht muss soviel wiedergutmachen, dass es ein Wunder ist, dass diese Anspannung überhaupt auszuhalten ist.“

Doch der Leser weiß von Anfang an, dass es keine ungetrübte Feier werden wird: Da ist zum einen die Nixe, deren Reich der Wannsee ist, und da gibt es im Hintergrund – weil auf der Party nicht körperlich anwesend – Jonas, Claires kleinen Jungen, der offensichtlich angesichts zunehmender Hitze aufgrund der Klimaveränderungen in schnell in Panik geraten kann, aus der er dann kaum herauszuholen ist.
Die Ich-Erzählerin erhält Zwischenberichte von Jonas Babysitter, dem sie keine Bedeutung beimisst bzw. davon Claire nichts sagt, damit diese unbeschwert feiern und an der spontan geplanten Bootsfahrt teilnehmen kann.
Die Katastrophen sind absehbar. Nicht nur aufgrund der erzählerischen Vorausdeutungen. Es ist eine Frage der Zeit. Doch zur Beruhigung (?) weiß der Leser ja, dass es weitergeht, nur eben nicht wie.

Es ist der Roman einer Nacht, in dem aktuelle Themen – Auswirkungen der Coroanakrise, moderne Formen von Beziehungen und Zusammenleben, Klimaängste angesichts der Klimakrise und der Wunsch nach ungetrübter Lebensfreude – sich vermengen mit familiären Rückblicken der Ich-Erzählerin, denen dann noch Erzählungen über die Nixe sowie kursiv gedruckte Vorahnungen und Gesprächsausschnitte zweier auf dem Wannsee fischender Männer beigemischt.
Für mich persönlich zu viel des vermeintlich Guten, zu vieles vorhersehbar oder zumindest zu ahnen. Und Zuschauer einer Party zu sein, auf der viele agieren wie Jugendliche, die endlich „freie Bude“ haben, macht mir dann auch nicht wirklich Freude. Vielleicht bin ich da einfach zu verkopft, zu rational oder zu „vernünftig“. Sorry.

Lucia Jay von Seldeneck, Komm tanzen! Roman, Goya Verlag Hamburg 2024, 139 S. ISBN 978-3-8337-47083

2 Gedanken zu „Lucia Jay von Seldeneck, Komm tanzen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert