Eric Bergkraut, Hundert Tage im Frühling
„Das Beste an Deinem Tod ist, dass ich nicht mehr fürchten muss, Du könntest sterben.“
Die Geschichte eines Abschiedes liest sich wie die letzte Liebeserklärung Eric Bergkrauts an seine verstorbene Frau Ruth Schweikert, einer Schweizer Schriftstellerin, mit der er drei gemeinsame Kinder hat. Sie alle haben Ruth auf ihrem letzten Weg – zum Schluss in den eigenen vier Wänden – jeder auf seine Art begleitet, unterstützt von zahlreichen Menschen, Ärzten, Pflegekräften, Musikern, Freunden:
„Lauter Menschen, die den Eindruck machen, dass ihre Begleitung in Todesnähe ein Gewinn ist für ihr Leben. Wir empfangen von Dir viel und vieles.“
Und dabei wollte Ruth leben. Sie kämpfte mit allen ihr zur Verfügung stehenden Kräften, um ihre Krankheit zu besiegen, ebenfalls unterstützt von ihrem Mann, dem es wichtig war, sie in ihren ureigensten Entscheidungen zu unterstützen. Diese Stärke ist dann auch offensichtlich die Basis, auf der sie ihren Weg konsequent in ihrer eigenen Art bis zum Ende geht:
„Du wolltest leben und Du wusstest zu sterben. Deine innere Stärke war es, die Dich so hat durch die hundert Tage gehen lassen, wie es der Fall war. Die Unterstützung durch unsere Söhne, die Freunde. Ich schätze mich glücklich, dass auch ich dazu beigetragen habe.
Es ist nicht so, dass der Tod fassbarer wird, wenn er unsere Nächsten trifft. Das Gegenteil ist der Fall. Vielleicht liegt es daran, dass diese Toten weiter an unserer Seite stehen, das kann verwirren.“
Durch Rückblenden, Erinnerungen, die eingeflochten werden, Auszüge aus ihren literarischen Arbeiten und Zitate wird es nicht nur ein Buch über die letzten hundert Tage Ruth Schweikerts, sondern auch über die Besonderheiten ihrer gemeinsamen Zeit, in der es immer auch um das Nähe-Distanz-Thema ging.
Es ist ein Buch, das tief berührt, aber nie rührselig wirkt, das gleichzeitig nüchtern und dennoch empathisch erzählt, berichtet über das, was auf den letzten Metern eines gemeinsamen Lebens an Entscheidungen zu treffen ist, welche Fragen noch offen sind, vielleicht auch offen bleiben müssen.
Und es konfrontiert LeserInnen sicher mit noch offenen Fragen, die den eigenen letzten Wegabschnitt betrifft. Aber es ist auch ein Buch, das Ausdruck von Dankbarkeit ist, auch noch diesen Weg gemeinsam gehen zu können. Sicher ist es auch nach dem Tod von Ruth Schweikert eine Möglichkeit der Verarbeitung ihres Todes und das Suchen nach dem eigenen Weg ohne sie an seiner Seite.
„Ich sage Dir, dass Deine Ruhe die unsere ist. Dass Deine Zuversicht, die unsere ist. Ich danke dir, dass Du Trostworte für uns schon verfasst hast: Weint um mich, aber freut Euch auch, dass es mich gab.“
Ergänzt wird der Band durch eine Auflistung der angesprochenen Chansons und Bücher/Texte.
Eric Bergkraut, Hundert Tage im Frühling, Geschichte eines Abschieds, Zürich 2. Aufl. 2024, 205 S., ISBN 978-3-03926-075-1
2 Gedanken zu „Eric Bergkraut, Hundert Tage im Frühling“
Wie schön, dieses Buch über die so früh verstorbene Schriftstellerin. Ich habe Ruth Schweikert noch persönlich gekannt. Sie war ein sehr starke und im besten Sinne sehr eigenwillige Frau.
Danke für die Besprechung und lieben Abendgruss,
Brigitte
Bin durch dieses Buch auch neugierig auf ihre literarischen Werke geworden. Ich kannte sie bisher nicht nicht.
Liebe Abendgrüße