Friede der Kreatur

Friede der Kreatur

Spinnen waren mir auch zuwider
All meine jungen Jahre,
Ließen sich von der Decke nieder
In die Scheitelhaare,
Saßen verdächtig in den Ecken
Oder rannten, mich zu erschrecken,
Über Tischgefild und Hände,
Und das Töten nahm kein Ende.
Erst als schon die Haare grauten,
Begann ich sie zu schonen
Mit den ruhiger Angeschauten
Brüderlich zu wohnen;
Jetzt mit ihren kleinen Sorgen
Halten sie sich still geborgen,
Lässt sich einmal eine sehen,
Lassen wir uns weislich gehen.

Hätt’ ich nun ein Kind, ein kleines,
In väterlichen Ehren,
Recht ein liebliches und feines,
Würd’ ich’s mutig lehren,
Spinnen mit den Händen fassen
Und sie freundlich zu entlassen;
Früher lernt’ es Friede halten
Als es mir gelang, dem Alten.

(Gottfried Keller)

6 Gedanken zu „Friede der Kreatur

  1. Was für ein schönes, versöhnliches und einsichtiges Gedicht von Gottfried Keller!
    Ja, schon die Kinder sollte man den Respekt vor aller Kreatur lehren.
    Einen herzlichen Sonntagsgruss,
    Brigitte

  2. Als Kind fand ich Spinnen gruselig. Ich habe ähnliche Erlebnisse gehabt. Heute faszinieren mich zumindest ihre Netze. Spinnennetze draußen sind für mich Vorboten des Altweibersommers.
    Herzliche Sonntagsgrüße

  3. inzwischen finde ich spinnen faszinierend, als kind und junge erwachsene gruselte ich mich fast zu tode. weberknechte konnte ich immer anfassen und ins freie setzen. heute könnte ich sogar mit einer spinne im zimmer leben;-). so ändern sich die zeiten…
    lieber gruß
    Sylvia

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