Gerald Hüther, Lieblosigkeit macht krank

Gerald Hüther, Lieblosigkeit macht krank

„Liebe deinen Nächsten!“ das habe ich – als Kind und auch später noch – oft gehört, es gelernt und danach gehandelt. Dass der Satz aber weitergeht und eine wichtige Botschaft enthält, nämlich: „… wie dich selbst“, hat man mir vorenthalten. Das war mir lange Zeit auch nicht wirklich bewusst bzw. wurde als egoistisch abgetan. So langsam erlebe ich diesen Satz bzw. das wohlwollende Handeln danach, am eigenen Leib – wie man so schön sagt. Er ist vom Kopf ins Herz „gerutscht“, verbindet Herz und Verstand immer besser, so dass sie sich ergänzen können.

Diese Botschaft vermittelt auch das Buch „Lieblosigkeit macht krank“ von Gerald Hüther. Ausgehend vom menschlichen Bedürfnis nach Verbundenheit und Autonomie und den Schwierigkeiten, diese in Einklang zu bringen, da Erziehung immer noch in hohem Maße eine Anpassungsleistung der Heranwachsenden ist, zeigt er auf, wie Menschen eher angeleitet werden, sich fremden Maßstäben anzupassen als eigene Bedürfnissen zu spüren und zu verwirklichen. So lernen sie erst gar nicht oder eher rudimentär, sich durch Offenheit, Beziehungsfähigkeit, Einfühlungsvermögen, Entdeckerfreude und Gestaltungskraft als lebendige Subjekte zu begreifen und zu erleben, sondern eher als Objekt der Bedürfnisse, Begierden und Ziele anderer.

Selbstliebe ist der Schlüssel, sich an diese verschütteten Fähigkeiten wieder zu erinnern und als Gestaltungspotential eines selbstbestimmten Lebens zu begreifen und zu erleben, also Selbstliebe als Gestaltungs- und Heilungsprozess.

Zuvor allerdings müssen die alten „Muster erschüttert, destabilisiert, also in einen inkohärenten Zustand gebracht werden. Erst dann besteht die Chance, dass sich die das eigene Denken, Fühlen und Handeln bestimmenden Muster umorganisieren.“ Krise – in welcher Form auch immer sie daherkommt als innere oder als von Außen kommende – ist Voraussetzung und Chance für Veränderung, den eigenen inneren Kompass wieder zu entdecken und danach auch zu handeln.

„Wer das schafft, ist fortan auch nicht mehr verführbar. Solche Personen verfügen über einen eigenen inneren Kompass, der ihrem Denken, Fühlen und Handeln eine kohärenzstiftende Richtung verleiht. Das ist sehr gesundheitsfördernd. Aber man muss es nicht so kompliziert machen. Es würde völlig ausreichen, … einfach ab jetzt etwas liebevoller mit sich selbst umzugehen. Wer das macht, beginnt sich von ganz allein zu verwandeln.“

Das Buch ist also ein Plädoyer für Selbstliebe als Pendant gegen die so verbreitete Lieblosigkeit in der Welt. Fangen wir also an, ab besten heute noch.

Gerald Hüther, Lieblosigkeit macht krank, Was unsere Selbstheilungskräfte stärkt und wie wir endlich gesünder und glücklicher werden, Freiburg i.B. 2021, 172 S., ISBN 978-3-548-06590-8

4 Gedanken zu „Gerald Hüther, Lieblosigkeit macht krank

  1. Es scheinen gute, wegweisende Gedanken, Worte und Beispiele zu sein.
    Schön, wenn wir sie alle beherzigen würden.
    Ich selber bekam so viel Liebe und Zuneigung von zu Hause mit, dass ich davon bis heute zehren – und sie weitergeben – kann.
    Den Ratgeber brauche ich eher nicht. :–)
    Dir eine gute, neue Woche und liebe Grüsse,
    Brigitte

  2. Wie schön, wenn (erfahrene) Lieblosigkeit für dich kein Thema ist. Hüther schreibt auch keine Ratgeber im klassischen Sinne, sondern zeigt eher Möglichkeiten auf, von eher konkurrenzgeprägten Gesellschaftsstrukturen mit all ihren Auswirkungen auch auf Individuen hin zu Strukturen zu kommen, die eher auf ein Miteinander zählen, um globale Probleme zu lösen.
    Herzliche Grüße in die neue Woche

  3. Sehr, sehr fein, dass Du Gerald Hüthers Buch präsentierst. Ich schätze ihn durch Dokumentationen und Diskussionen, Buch habe ich bislang noch keines gelesen, dennoch haben mich viele seiner Gedanken, die ich sehr gut nachvollziehen kann, gerade in den letzten Jahren begleitet. Spannend finde ich, dass er eben kein klassischer Ratgeber ist, sondern Strukturen und ihre Auswirkungen sehr gut beschreibt und somit aufzeigt. Derart sind viele „Aha!“-Erlebnisse möglich … und die nötigen Veränderungen können überdacht werden.
    Du hast hier ganz Wesentliches erwähnt, ich kenne es aus eigenen Entwicklungen, wie Erziehung klassischerweise leider funktioniert. Den erweiterten Satz “ wie dich selbst“ habe ich erst spät kennengelernt. Bin gerade dabei, mich wieder daran zu erinnern …
    DANKE! Liebe Grüße!

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