
Montserrat Roig, Die Frauen vom Café Núria

Der erste Teil dieser Trilogie ist ein Roman über drei Generationen von Frauen im Barcelona Ende des 19. Jahrhunderts, während des spanischen Bürgerkrieges in den Dreißigern des 20. Jahrhunderts sowie in den Sechzigern zur Zeit des Francoregimes. Alle drei Frauen – Großmutter, Tochter und Enkelin – tragen denselben Namen Mundeta, was ein konzentriertes, aufmerksames Lesen erfordert, da die Übergänge nicht immer sofort erkennbar sind. Denn der Roman wird nicht linear und chronologisch erzählt. Ab und an helfen Jahreszahlen, sich zu orientieren.
Die Großmutter tritt als Ich-Erzählerin auf. Sie ist Tochter der höheren Gesellschaft, die sich mit Spaziergängen, gesellschaftlichen Ereignissen wie Opern, Diners, Romanlektüren und der Lektüre von Heiligenbiografien beschäftigt und von einer romantischen Liebe und Reisen in ferne Länder träumt. Sie steht kurz vor ihrer, vom Vater arrangierten Hochzeit:
„Ich weiß nicht, warum ich heirate: Es ist schwer, vorherzusehen, was das Schicksal für uns brereithält. Aber eine Frau braucht einen Mann an ihrer Seite, denn sonst bleibt sie am Ende allein und wird zum Gespött der Leute, vor allem läuft sie Gefahr, eine kränkliche Alte mit verdorrter Seele zu werden.“
Sie ist Zeit ihres Lebens diesem traditionellen Denken verhaftet und warnt ihre erwachsene, Tochter Mundeta, mit der sie sich nach dem Tod ihres Mannes regelmäßig im Cafe Núria trifft, vor Kati, die neugierig, aufgeschlossen, klug und unabhängig ohne Mann lebt, da ihr der Krieg die Augen geöffnet habe, dass „Frauen zu etwas nütze sind und nicht bloß hübsch aussehen müssen.“ Weibliche Bildung besteht zu dieser Zeit aus „Stenografie, Sticken, Rechtschreibung und Nähen“, doch Ziel ist immer noch die Heirat, denn nur Frauen, die keinen Mann gefunden haben, arbeiten – ihrer Tante zufolge – als Bibliothekarinnen.
Auch Mundeta, die Tochter, heiratet, und wird zu einer „sentimentalen, unglücklichen Frau … deren Zerbrechlichkeit sie hart gemacht hatte.“ Ihr Mann ist aus der Sicht ihrer Tochter Mundeta der „starke, unbeugsame, distanzierte Mann in dieser fast nur aus Frauen bestehenden Familie.“
Die Mundeta der dritten Generation brennt darauf, dieser Welt zu entfliehen:
„Sie wollte die Ihren verlassen, diese traurige Prozession unfähiger Ignoranten. … Ihre Stadt war von allen Seiten von unsichtbarem Stacheldraht umgeben, und sie musste fliehen, um die Welt als einen vor ihr ausgebreiteten Fächer voller Möglichkeiten zu sehen, wie Jordi es tat.“
Jordi ist Mundetas Freund, mit dem sie glaubt, dieser Welt entfliehen zu können. Doch letztlich fühlt sie sich von ihm weder verstanden noch unterstützt. Denn sie merkt, dass die Freiheiten, die sich Jordi herausnimmt, für sie nicht gelten sollen. Immer wieder wirft er ihr vor: „Mundeta, du hast dich so verändert.“
Ja, sie hat sich verändert, denn ihr Wunsch für die Frauen ihrer Familie, ein anderes Leben geführt zu haben, bringt sie dazu, für diesen Wunsch auch zu handeln, damit es nicht bei den Träumen ihrer Großmutter und Mutter sowie den eigenen bleibt.
Auf ihren Freund kann sie dabei nicht zählen. „Sie hatte es satt, Theorien zu vertreten, die sie nicht empfunden hatte.“
Der Roman wirft durch die Perspektive dieser drei Frauenleben einen Blick auf die zutiefst männlich geprägte spanische Gesellschaft und die Schwierigkeiten, ein selbstbestimmtes, erfülltes, weibliches Leben zu führen.
Im Herbst 2024 und im Frühjahr 2025 werden die weiteren Bände dieser Trilogie erscheinen. Man darf gespannt sein, wie es weitergeht.
Montserrat Roig, Die Frauen vom Café Nùria, Roman, a.d. Katalanischen von Ursula Bachhausen und Kirsten Brandt, Verlag Antje Kunstmann, München 2024, 219 S., ISBN 978 3-95614-582-7
3 Gedanken zu „Montserrat Roig, Die Frauen vom Café Núria“
Ich kann mir lebhaft vorstellen, dass dieser Roman in vielen Gegenden Spaniens zeitlich auch im Heute angesiedelt sein könnte. Spanien ist ein tiefkatholisches Land, da hat sich der Gleichwert von Frauen noch nicht herumgesprochen.
Auch in der österreichischen Gegenwart zeigen sich noch immer frauenverachtende Männer, sie trommeln sich auf die Brust und stellen den Anspruch, Herr über Wohl und Wehe einer Familie zu sein. Auch in meinem Land ist so ein Verhalten auf erzkonservative Strömungen in der katholischen Kirche zurückzuführen.
Der Roman klingt lesenswert, da kann ich mir eine gewisse Vorfreude auf Teil 2 und 3 vorstellen.
Danke für Deine wie immer höchst aufschlussreiche Vorstellung!
Herzliche Grüße zu Dir
Habe erst gestern in den Nachrichten gehört, dass man sich in Rom Gedanken darüber macht, auf welche Art Frauen in der Kirche in Zukunft mitarbeiten dürfen. Zwischen sich Gedanken machen und möglichen Veränderungen vergehen oft Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte. Kein Wunder, wenn man sieht, wer da das Sagen hat. Diese Art der Männer sind an einer Gleichberechtigung nicht interessiert. Was würde ihnen denn da noch bleiben?
Augenhöhe setzt zudem auch noch Gleichwertigkeit voraus.
Ich schwanke da immer zwischen einer Art Hass auf diese Männer und einem Gefühl von Mitleid mit diesen „armen Seelen“.
Danke auch für deine Rückmeldung.
Liebe Grüße