Sabine Gruber, Die Dauer der Liebe

Sabine Gruber, Die Dauer der Liebe

„Du bist stärker als ich, hatte Konrad einmal zu Renata gesagt. Deshalb muß ich vor dir sterben. Ich könnte es nicht aushalten, dich zu verlieren. In bin nicht stärker, denkt Renata.“

Ob Renata nun stärker ist, ist nicht mehr zu ermitteln. Stark muss sie auf jeden Fall sein, nachdem sie von Konrads plötzlichem Tod auf einem Autobahnrastplatz erfahren hat. Sie hat nicht nur diesen unvorhersehbaren Tod zu verkraften, sondern auch Konrads Familie, die unmittelbar nach seinem Tod beginnt, sich um das Erbe zu streiten. Da Konrad, ein Architekt, und Renata, eine Übersetzerin, nicht verheiratet waren, steht ihr nichts zu, obschon sie mehr als ein Vierteljahrhundert zusammengelebt haben. Konrads Wunsch, in Wien beerdigt zu werden, zählt nicht für seine Mutter und Geschwister, ebenso die Tatsache, dass er aus der Kirche ausgetreten ist.

„Laß uns zusammen tot sein, wenn wir schon nicht zusammen sterben können, hört Renata Konrad sagen. Laß uns hier in Wien in einem Grab liegen. Versprich es mir und ich verspreche es dir.
Du wirst einen schönen Satz für dich und mich finden, und ich werde uns einen Stein suchen, der auch im Winter vom Sommer erzählt.
Für Konrads Mutter kommt ein Grab in Wien nicht in Frage. Renata hat auch die anderen gegen sich.“

Da gibt es als Stütze nur den langjährigen Freund Bruno, der Renata den Rücken stärken kann und ihr in ihrem neuen Alleinsein beisteht:

„Während Konrads Reisen … war Renatas Alleinsein ein anderes als jetzt. Es war ein Alleinsein im Zusammensein. Jetzt ist es nur ein Alleinsein.“

Als Leser*in dieses Romans begleitet man Renata in ihrem Schmerz, in ihrer Fassungslosigkeit ob des Verhaltens von Konrads Familie, bei ihren Recherchen nach einer Frau, mit der Konrad möglicherweise ein Verhältnis gehabt hat, und ihren zunächst zaghaften Versuchen, in ein neues Leben ohne Konrad zu finden.
Dabei erfährt man durch Renatas Erinnerungen einiges über Konrads Arbeiten, seine Italienreisen, seine dabei entstandenen Fotografien und über das Zusammenleben der beiden.
Der Erzähler wählt eine schmucklose, wenig emotional aufgeheizte Sprache, so dass man als Leser*in die Möglichkeit hat, sich selbst einzufühlen.

Der Roman ist auf jeden Fall auch ein Appell, sich über ein Testament Gedanken zu machen, das juristischen Maßstäben standhält, wenn man vermeiden will, das Hinterbliebene sich solchen – sicher vermeidbaren – Auseinandersetzungen stellen müssen. Und das gilt sicher nicht nur für unverheiratete Paare. Doch dafür muss man sicher keinen Roman lesen ;)

Sabine Gruber, Die Dauer der Liebe, München 2023, 251 S., ISBN 978-3-406-80696-4

4 Gedanken zu „Sabine Gruber, Die Dauer der Liebe

  1. Oh ja, da gilt es, vernünftig zu sein zu Lebzeiten und den Liebsten oder die Liebste rechtlich und finanziell abzusichern, wenigstens das.
    Nichts schlimmer als solche Streitereien nach einem Todesfall.
    Lieben Gruss in den Nachweihnachtstag,
    Brigitte

  2. Ich glaube, es ist wichtig, mit dem Ordnen zu beginnen, wenn einen die Dinge des Lebens beschäftigen.
    Dabei erlebe ich hautnah mit, wie sehr Besitz im Alter auch belasten kann.
    Auch das Verwalten eines solchen kann zur Mühe werden, weshalb ich mir denke: Es ist gut, finanziell abgesichert zu sein und dafür bin ich auch sehr dankbar, aber Überfluss kann auch unfrei machen. Vor allem, wenn Menschen darüber in Streit geraten, was ja nicht nur in Büchern oder Filmen der Fall ist: Die Realität holt einen da oft schneller ein, als einem lieb sein kann.

    Die Wünsche eines Menschen sind wohl zu respektieren – vor allem, wenn es um eine Grabstätte geht, der zwei Menschen zustimmen.

    Bei uns in Österreich sind heute die Geschäfte wieder offen, nun werden sie wohl gestürmt, um passend zu machen, was unter dem Weihnachtsbaum schief gegangen ist … ;-)
    Ganz liebe Grüße nach Recklinghausen!

  3. Wenn nicht die Wünsche eines Verstorbenen gelten, so spielen meist das Ego, Gier, ein Gefühl von Zukurzgekommensein etc. , moralische und sonstige Vorstellungen eine ungute Rolle.
    Und ja, Besitz kann auch unfrei machen.
    Jeder möge die eigene passende Mischung finden.
    Ich bin mal wieder dabei, mir Raum zu verschaffen, Überholtes wegzugeben und dafür zu sorgen, dass noch Brauchbares nicht im Müll landet.
    Wenn Menschen sich mehr Immaterielles zu Weihnachten, aber auch zu Geburtstagen schenkten, so wären solche Umtauschaktionen auf jeden Fall überflüssig ;)
    Herzliche Grüße, aus dem noch trüb dunklen Speckhorn.

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