
Tschingis Aimatow, Djamila

Diese Liebesgeschichte beginnt mit der Beschreibung eines kleinen Bildes mit schlichtem, schmalen Rahmen, auf dem man „den Rand des fahlen Herbsthimmels und scheckige, vom Wind gejagte Wolken über einer fernen Bergkette (sieht). … Der ausgewaschenen Fahrrinne entlang ziehen sich die Spuren zweier Fußgänger hin. Je weiter sich die Spuren entfernen, um so deutlicher werden sie, und die beiden Wanderer selbst scheinen beim nächsten Schritt hinter den Rahmen zu verschwinden. Der eine von ihnen … Aber ich will nicht vorauseilen.“
Es scheint ein eher unscheinbares Bild zu sein, allerdings von besonderer Bedeutung für den Ich-Erzähler, der offensichtlich das Bild gemalt, aber noch nie ausgestellt hat und es sogar versteckt, wenn seine Verwandten aus dem Aul ihn besuchen.
Die Geschichte dieses Bildes beginnt in der Jugend des Ich-Erzählers, dem dritten Jahr des Krieges, die Männer sind im Krieg und die Jungen von fünfzehn, sechzehn Jahren müssen auf der Kolchose arbeiten. Auch Djamila, die Frau seines Bruders, erledigt Männerarbeit. Ihr wird der Ich-Erzähler als Aufpasser zur Seite gestellt. Er übernimmt diese Aufgabe gern, kann er Djamila, die er anhimmelt, doch auf diese Art und Weise nah sein.
Sie selbst wehrt alle Avancen der um sie herumschwänzelnden Männer ab. Doch dann ist da noch Danijar, der aufgrund seiner Verletzung bei der Heumahd helfen muss. Ein sonderbarer, stiller Mensch, der sich nicht integriert und auch nicht integriert wird, der immer – tief in Gedanken versunken – seine Arbeit verrichtet und den Djamila nicht wirklich wahrnimmt, obwohl sie mir ihm arbeiten muss. Sie sieht seine Verwirrtheit und Befangenheit in ihrer Gegenwart nicht, wenn sie ihm lachend und verschmitzt zuruft:
„He, du, Danijar! So heißt du doch? Du siehst aus, als wärt du ein Mann, also fahr du an der Spitze.!“
Doch der Erzähler bekommt dafür um so mehr mit:
„Danijar trieb schweigend seine Pferde an. > Ach du armer Kerl! Zu allem anderen bist du auch noch schüchtern! < dachte ich.“
Mit ihm begleitet man die beiden, bis sie schließlich gemeinsam das Dorf verlassen, in dem ein Tumult ungeheuren Ausmaßes ausbricht, da Danijar und Djamila gegen jede Norm und Konvention verstoßen. Nur der Ich-Erzähler fühlt mit den beiden, obschon auch ihn ihr Weggehen bewegt:

„Ich nahm Abschied von den beiden Menschen, die mir am liebsten waren. Und erst jetzt … begriff ich, mit einem Male, dass ich Djamila geliebt hatte. Ja, sie war meine erste, noch kindliche Liebe gewesen. … Ich nahm nicht nur von Djamila und Danijar Abschied, sondern auch von meiner Kindheit.“
Diese Liebesgeschichte wird zart und dennoch ausdrucksstark von Kat Menschik illustriert, die „Djamila“ als Pflichtlektüre in der Schule gelesen und geliebt hat:
„Selbst noch fast ein Kind, war ich hingerissen von der Kraft und Wucht der Liebe, die sich über Traditionen und Regeln hinwegsetzt, einfach weil sie es muss. So bedingungslos muss die Liebe sein. So habe ich sie mir damals, glaube ich, gewünscht und vorgestellt.“
Sie hat die Gefühle und Stimmungen dieser Geschichte in Bilder umgesetzt, die Ergänzungen sind und keinesfalls Konkurrenz zum Text entstehen lassen. Darin ist sie – für mich – Meisterin.
Tschingis Aimatow, Djamila. Die schönste Liebesgeschichte der Welt. Illustriert v. Kat Menschik, a.d. Russischen v. Gisela Drohla, Galiani Verlag, Berlin, 3. aufl. 2022, 106 S., ISBN 978-3-86971-253-6
2 Gedanken zu „Tschingis Aimatow, Djamila“
Oh ja, das ist eine wunderbare Liebesgeschichte, die ich vor etlichen Jahren auch gelesen habe und hell begeistert davon war.
Danke fürs Erinnern und den Hinweis auf diese illustrierte Ausgabe.
Lieben Morgengruss, Brigitte
Eigentlich ist nes ja eine doppelte: die einer erwachenden Liebe des Ich-Erzählers und die zwischen Danija und Djamila.
Liebe Grüße