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Kategorie: Gedichte

Heute Morgen

Heute Morgen

Wann war ein Mensch je so wach Wie der Morgen von heut? Nicht nur Blume und Bach, Auch das Dach ist erfreut. Selbst sein alternder Rand, von den Himmeln erhellt, – wird fühlend: ist Land, ist Antwort, ist Welt. Alles atmet und dankt. O ihr Nöte der Nacht, wie ihr spurlos versankt. Aus Scharen von Licht War ihr Dunkel gemacht, Das sich rein widerspricht. (Rainer Maria Rilke)

Schnee

Schnee

Schnee, zärtliches Grüßender Engel,schwebe, sinke –breit alles in Schweigenund Vergessenheit!Gibt es noch Böses,wo Schnee liegt?Verhüllt, verfernt er nichtalles zu Nahe und Hartemit seiner beschwichtigendenWeichheit, und dämpft selbstdie Schritte des Lautestenin Leise?Schnee, zärtliches Grüßender Engel,den Menschen, den Tieren! –Weißeste Feierder Abgeschiedenheit. (Franziska Stoecklin)

Vergeßner Sonnenschein

Vergeßner Sonnenschein

Die Nacht holt heimlich durch des Vorhangs Faltenaus Deinem Haar vergeßnen Sonnenschein.Schau, ich will nichts, als Deine Hände haltenund still und gut und voller Frieden sein. Da wächst die Seele mir, bis sie in Scherbenden Alltag sprengt; sie wird so wunderweit:an ihren morgenroten Molen sterbendie ersten Wellen der Unendlichkeit. (Rainer Maria Rilke)

Weg am Winterstrand

Weg am Winterstrand

Das Meer hat die Spuren des Sommers gelöscht bald wird auch die Sonne vereisen in der Januarnebelwand setz deine Gedanken dort in den Kahn von Fischern an den Strand geschoben zum Winterschlaf häng deine Gedanken in das kahle Astwerk der Bäume unter den Orgeltönen der rauhen See erst auf dem Rückweg hol sie dir wieder sammel sie ein Geläutert (Betty Paoli)

Die Welt

Die Welt

Was ist die Welt und ihr berühmtes Glänzen?Was ist die Welt und ihre gantze Pracht?Ein schnöder Schein in kurtz-gewölckter Nacht; Ein bundes Feld, da Kummer-Disteln grünen;Ein schön Spital, so voller Kranckheit steckt;Ein Sklavenhaus, da alle Menschen dienen,Ein faules Grab, so Alabaster deckt.Das ist der Grund, darauff wir Menschen bauen,Und was das Fleisch für einen Abgott hält.Komm, Seele, komm, und lerne weiter schauen,Als sich erstreckt der Circkel dieser Welt. Streich ab von dir derselben kurtzes Prangen,Halt ihre Lust für eine schwere…

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Der Brand

Der Brand

Nur Zufall … Bleiern lag Berlinim Abendlichte Dach an Dach;trüb sah sie in das Feuer,das drüben aus dem Giebel brach.        Die Flammen zuckten. Im Rahmen meines Fensters,so stand sie schwarz und stumm vor mir;und im Nebenzimmer spielteeine blasse Frau Clavier.        Drüben wühlte die Glut. Die blasse Frau war meine,und Diese stand so nah und hold;flimmernd säumte der rote Scheindie lieben Locken mit dunklem Gold        und Funkengestiebe. Es zog mich hoch: ich mußte,ich wollte sie an mich ziehn.Eine große trübe Wolke Rauchkroch über ganz…

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Zeit

Zeit

So wandelt sie, im ewig gleichen Kreise, Die Zeit nach ihrer alten Weise, Auf ihrem Wege taub und blind, Das unbefangne Menschenkind. Erwartet stets vom nächsten Augenblick Ein unverhofftes seltsam neues Glück. Die Sonne geht und kehret wieder, Kommt Mond und sinkt die Nacht hernieder, Die Stunden, die Wochen abwärts leiten, Die Wochen bringen die Jahreszeiten. Von außen nichts sich je erneut, In dir trägst du die wechselnde Zeit, In dir nur Glück und Begebenheit. (Ludwig Tieck)

Heilige Einsamkeit

Heilige Einsamkeit

Du meine heilige Einsamkeit,du bist so reich und rein und weitwie ein erwachender Garten.Meine heilige Einsamkeit du –halte die goldenen Türen zu,vor denen die Wünsche warten. (Rainer Maria Rilke)

Herbstliche Wege

Herbstliche Wege

Des Sommers weiße Wolkengrüße zieh’n stumm den Vogelschwärmen nach, die letzte Beere gärt voll Süße, zärtliches Wort liegt wieder brach. Und Schatten folgt den langen Wegenaus Bäumen, die das Licht verfärbt, der Himmel wächst, in Wind und Regen stirbt Laub, verdorrt und braun gegerbt. Der Duft der Blume ist vergessen, Frucht birgt und Sonne nun der Wein und du trägst, was dir zugemessen, geklärt in deinen Herbst hinein. (Joachim Ringelnatz)

Die unmögliche Tatsache

Die unmögliche Tatsache

Palmström, etwas schon an Jahren,wird an einer Straßenbeugeund von einem Kraftfahrzeugeüberfahren. „Wie war“ (spricht er, sich erhebendund entschlossen weiterlebend)„möglich, wie dies Unglück, ja –:dass es überhaupt geschah? Ist die Staatskunst anzuklagenin bezug auf Kraftfahrwagen?Gab die Polizeivorschrifthier dem Fahrer freie Trift? Oder war vielmehr verboten,hier Lebendige zu Totenumzuwandeln, – kurz und schlicht:Durfte hier der Kutscher nicht –?“ Eingehüllt in feuchte Tücher,prüft er die Gesetzesbücherund ist alsobald im Klaren:Wagen durften dort nicht fahren! Und er kommt zu dem Ergebnis:Nur ein Traum war…

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