Längst fälliger Abschied von der Kindheit

Längst fälliger Abschied von der Kindheit

Ich brauche keine Mutterliebe mehr.
Ich bin erwachsen und sorge für mich.
Ich gebe mir die Aufmerksamkeit und Liebe, die ich brauche.

Ich danke dir,
dass du mich unter (Lebens-)Gefahr geboren,
dass du mich nach deinen Kräften behütet und versorgt hast,
dass ich lernen und studieren durfte – obwohl ich ein Mädchen war.

Gewünscht hätte ich mir Anerkennung auch da,
wo ich deinen Vorstellungen und Erwartungen nicht entspreche,
weil ich anders bin als du
oder vielleicht auch nur den Mut habe,
anders zu leben,
andere Wege zu gehen,
als die,
die du gewählt hast
für dich
und für mich.

Es tut mir Leid,
dass ich für dich in vielerlei Hinsicht
Zumutung und Enttäuschung war
und immer noch bin.

Ich bin offensichtlich nicht die Tochter,
die du dir gewünscht hast,
die du vielleicht gebraucht hättest.

Ich bin, die ich bin.
Das anzuerkennen, habe ich lange gebraucht.
Und als die lebe ich jetzt –
mit oder ohne deine Anerkennung.
Deine spürbare Liebe zu mir hätte manches leichter gemacht.

Doch:
Es ist, wie es ist:
Du bist wie du bist.
Ich bin wie ich bin.
Es ist, wie es ist!

© mona lisa 

8 Gedanken zu „Längst fälliger Abschied von der Kindheit

  1. Was du hier in Worte fasst, gehört ganz sicher zu den schwierigeren Aufgaben, die einem das Leben stellen kann. Das Konzentrieren aufs Wesentliche, wie du das in diesem Text ja tust, ist sicher hilfreich. Es hat etwas von „Den-Boden-Suchen“ – und da passt dann das Bild sehr gut dazu, denn der Boden ist ja bei weitem nichts so etwas Stabiles, wie es das Wort vermuten lässt.

    Liebe Grüße, Andrea

    1. Du hast den Prozess gut beschrieben.
      Habe meinen Standpunkt, -ort, meinen Boden gefunden. Und ja es ist kein Betonfundament – und das ist auch gut so.
      Herzliche Sonntagsgrüße

  2. Einzigartig berührend und tief, es ist unglaublich erleichternd, Mutterliebe so zu lesen! Diese nicht mehr zu brauchen – so erwacht die Liebe, die von so großer Bedeutung ist: Die Selbstliebe
    HERZLICHEN DANK!!! 🙏

    1. Es war ein langer Weg zur Selbstliebe, da sie häufig als ausschließender Gegensatz zur Liebe zur Mutter interpretiert, also mit Egoismus gleichgesetzt wurde. Kein Sowohl … als auch, sondern ein Entweder … oder. Das war für mich das so Schmerzhafte des schon lange zurückliegenden Prozesses.
      Liebe Grüße und einen erholsamen Sonntag.

  3. Ein Text, der so viel darüber hinaus erzählt und ein versöhnliches Fazit, das die Wogen glättet und das Gewesene sachlich schildert.
    Du hattest sicher keinen einfachen Weg, aber, in der Rückblende gesehen, einen gangbaren.
    Einen lieben Gruss ins Wochenende,
    Brigitte

  4. Mich macht der Text auch traurig – nicht gezeigte Liebe und Anerkennung finde ich sehr schmerzhaft. Ich denke auch wieder und immer wieder an den Nahuatl-Segen, den du hier eingestellt hast. Da findet sich einiges von dem Geschilderten wieder. Auch das FREI-SEIN.
    Liebe Grüße von Ellen

    1. Es war ein befreiender Prozess, verbunden mit viel Trauer und Missverständnissen, sicher auf beiden Seiten. Und noch immer gibt es das ein oder andere, was losgelassen, befreit sein will.
      Auf dem Weg zu sein, bedeutet in Bewegung zu bleiben.
      Schicke dir herzliche Sonnensonntagsgrüße

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