Anton Tschechow, Das Duell

Anton Tschechow, Das Duell

Was macht man/frau, wenn in einer Beziehung die Liebe abhanden gekommen zu sein scheint? Wenn man glaubt: “ Sie würde sich von mir ebenso schwer trennen, wie von ihrem Puder oder ihren Lockenwicklern. Ich bin für sie eine unumgänglicher Bestandteil ihres Boudoirs.“
Sie unter fadenscheinigen Umständen verlassen oder bis zum Tode zusammenbleiben?
Pikanterweise lebt Wanja Lajewski mit der verheirateten Nadeschda Fjodorowna in wilder Ehe zusammen, was ihr die Türen zu den meisten „anständigen“ Häusern verschließt. Während er wild über eine Zukunft ohne sie spekuliert und sich Geld zu leihen versucht, beginnt sie eine Affäre mit einem angesehenen Bürger, ist aber schon nach dem ersten Treffen entsetzt über ihr Verhalten, was ihr nicht viel nutzt, denn der „ehrbare“ Bürger beginnt sie zu erpressen, bei ihrer Stellung ein leichtes Spiel. Sie droht zum Spielball all der Männer zu werden, die sie öffentlich verurteilen, aber heimlich begehren, denn sie scheint sich an keine Regeln zu halten: Kleidernormen ignoriert sie ebenso wie die Anforderungen, die an eine gute Hausfrau gestellt werden, sie liest lieber statt zu putzen. Für den heutigen Leser arg konstruiert kommt es im Verlauf der Handlung zu einer Duellforderung. Ironischerweise weiß niemand der Beteiligten, wie ein solches korrekt durchzuführen ist.  Die Folgen des Duells sind verblüffend: Wanja und Nadescha finden nicht nur wieder zueinander, sondern leben – natürlich verheiratet – ab sofort im Einklang mit den vorher so missachteten gesellschaftlichen Normen. Die Gesellschaft hat die Abtrünnigen wieder. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.
Dennoch, die Frage nach der Beständigkeit der Liebe in einer Beziehung in einem Roman zu stellen, war im 19. Jahrhundert sicher revolutionär, möglicherweise staatszersetztend, zumal auch die Rolle der Kirche und ihrer Vertreter nicht allzu gut wegkommt.

Anton Tschechow, Das Duell, Roman, Übersetzt von Waldemar Jollos, Augsburg, o. Jahresangabe, 148 S., Neuere Ausgabe bei Diogenes und als Hörbuch zum 150. Geburtstag Anton Tschechows am 29.1.2010, gelesen von Ulrich Matthes.

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