Friedrich Ani, German Angst

Friedrich Ani, German Angst

Eins vorweg: Ich finde die Figur des Tabor Süden nach wie vor interessant, seine verschiedenen Arten zu schweigen, seine Gedanken über Gott und die Welt, seine Art zu ermitteln und seine Vermisstenfälle ebenfalls. Aber die schmaleren Bände „Tabor Süden und…“ haben mir insgesamt besser gefallen.
In diesem Roman geht es um Lucy, Tochter von Christoph Arano –  vor über dreißig Jahren aus Nigeria nach Deutschland gekommen –  die nach dem Tod ihrer Mutter ständig auf äußerst brutale Art und Weise Straftaten begeht, dafür zwar noch nicht belangt werden kann, aber deshalb stadtbekannt ist. Viele bei der Polizei warten nur darauf, dass sie 14 und damit strafmündig wird, und einige überschreiten unerlaubt ihre Befugnisse, indem sie Straftätern aus dem rechtsradikalen Spektrum Informationen über die Ermittlungen im Fall Lucys und der entführten Natalia Horn zukommen lassen. Die Entführung von Natalia Horn, der Verlobten Christoph Aranos, soll die sofortige Abschiebung von Vater und Tochter erzwingen. Um dieses Ziel zu erreichen ist den Tätern wirklich jedes Mittel recht: Mord, Erpressung, Entführung und die Instrumentalisierung der Medien, die auf ihre Quoten schielend beinahe alle journalistischen Grundsätze über Bord werfen. Und mittendrin Tabor Süden, der nahezu als Einziger Interesse an dem Mädchen und ihrem Werdegang zeigt, der wissen will, warum sie so aggressiv auf ihre Umwelt, ihre Mitmenschen reagiert, scheinbar ohne jegliches Mitleid, ohne jeden Respekt vor niemandem, der als Einziger Kontakt zu ihr aufnehmen kann: “ ‚Sie fürchten sich, … weil es ihrer Natur entspricht. Es ist praktisch für sie, dass du schwarz bist, so haben sie eine Rechtfertigung für ihr Verhalten. Ein schwarzes Kind, das wahllos Menschen angreift, ist ein Glücksfall für sie, du bist ein Angstmagnet. Sie denken, je mehr sie sich fürchten müssen, desto weniger wird ihre Furcht, sie denken, du saugst die Furcht aus ihnen heraus und wenn sie dich dann verjagt und verbannt haben, … freuen sie sich wie Kinder. Und dann fürchten sie sich wieder und suchen sich eine neue Lucy.‘ “
Dieser Roman ist mehr als nur ein Krimi, er ist Abbild unserer Gesellschaft, die an vielen Stellen vergessen zu haben scheint, dass jemand nicht als Verbrecher geboren wird. Er entlarvt, wie moralische, gesellschaftliche Werte verraten werden, bis dahin hochgehalten, nun aber nicht mehr opportun zu sein scheinen, bzw. einfach nicht karriereförderlich.
Auch wenn der (Kriminal-)Roman grundsätzlich interessant ist, finde ich manche Passagen zu lang geraten. Eine Kürzung und Konzentration aufs Wesentliche hätte ich besser gefunden.

Friedrich Ani, German Angst, Roman, München 2002, 557 S., ISBN 978-3-426-62054-0

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