
Clare Sestanovich, Objekte des Begehrens

Durchgängig sind Frauen die Hauptpersonen dieser Erzählungen, die ungewöhnliche Einblicke in scheinbar gewöhnliche Leben geben. Was sich dann – bei näherem Hinsehen und im Verlauf der Geschichten verändert. Andere wiederum – zum Beispiel „Eingewöhnung“ – beginnen schon ein wenig anders:
„Ob sie mit ihm ausgehen möchte, fragte er sie am Stausee, wo sie im Sommer nackt baden ging. … Sie rubbelte sich gerade die Haare trocken, als er auftauchte, und sie hatte keine Hose an. Ihr Schamhaar war nicht getrimmt.
Kate war überrascht, aber sie sagte ja. … Seinen Namen hatte sie schon wieder vergessen.“
„Brenda wohnt in einem Wohnwagen in der Einfahrt des Hauses, das sie gekauft, niedergerissen und aufgegeben hat. Der Wohnwagen ist frisch geputzt, und auf dem kleinen Herd zischt ein Tee, weil gleich eine Studentin kommt.“ So beginnt die Erzählung „Brenda“.
Brenda ist Dozentin für „kreatives Schreiben“ und zutiefst davon überzeugt, dass jeder eine Geschichte zu erzählen hat. Und genau das verdeutlicht die Autorin mit ihren Erzählungen. Selbst eine Ich-Erzählerin die als „Geheimnishüterin“ der Familie in: „Jetzt wissen Sie, was Sache ist“ bezeichnet wird, deren Schweigsamkeit als gute Zuhörerin von den Familienmitgliedern geschätzt wird, hat etwas zu erzählen. Da ist sich die Großmutter sicher:
“ ‚Eines Tages wird sie ein Buch darüber schreiben‘, sagte die meine Großmutter stolz.
‚Stille Wasser sind tief‘, stimmte meine Tante zu.“
Aber sie irren sich. Die Ich-Erzählerin will malen:
„In dem Sommer fuhr ich Fahrrad, zeichnete und fing allmählich mit dem Malen an, weil ich alles allein tun konnte.“
Weibliche Tabuthemen gibt es nicht. Ob ungewollte Schwangerschaften, geheimnislos gewordene Ehen, Jobs bei einem Star, der dann aber vor Arbeitsantritt verstirbst, man darf als Leser mit allem rechnen und sich überraschen lassen von diesen eigentümlichen Erzählungen.
Clare Sestanovich, Objekte des Begehrens, Erzählungen, a.d. Englischen v. Claudia Voit, Claassen Verlag, Berlin 2021, 240 S., ISBN 978-3-546-10020-5
4 Gedanken zu „Clare Sestanovich, Objekte des Begehrens“
Na ja, mich ödet schon das erste Zitat dieser Erzählungen an.
„Ihr Schamhaar war nicht getrimmt.“ (Was für ein bescheuertes Kriterium. :–)
Nee, das ist nichts für mich. Sogar die Typografie auf dem Cover finde ich sowas von „abgeschmackt“ und absichtlich auf „interessant“ getrimmt.
Das tue ich mir bestimmt nicht an.
Aber die Kritik ist nicht an dich gerichtet. Ich finde es toll, dass du dich mit vielen Genres und den verschiedensten Buchinhalten und -aufmachungen befasst.
Einen lieben Sonntagabendgruss zu dir,
Brigitte
Mich haben diverse An- und Einsichten auch irritiert, um es gelinde auszudrücken, bin mir dann aber nicht sicher, ob es an meinem Alter liegt ;)
Interessant finde ich – distanziert, aber literarisch interessiert – wie bestimmte Themen gesehen und erzählt werden.
Dann möge sich jede(r) eine eigene Meinung bilden.
Herzliche Grüße
Mich locken die Geschichten sehr!
Danke für die Besprechung hier. Und ein so schöner Stift anbei…
Gruß von Sonja
Die Geschmäcker sind halt verschieden, …
und das ist ok so. Sonst wäre es ja auch in der (Literatur) Welt sehr eintönig.
Herzliche Morgengrüße