In memoriam Anne Frank
Sie wäre heute 95 Jahre alt geworden.
„Ich werde, hoffe ich, dir alles anvertrauen zu können, wie ich es noch bei niemandem gekonnt habe, und ich hoffe, du wirst mir eine große Stütze sein.“
So beginnt das Tagebuch der Anne Frank, das sie an ihrem 13. Geburtstag geschenkt bekommen hat:
„An erster Stelle warst du es, die (!) ich zu sehen bekam und was wahrscheinlich eines von meinen schönsten Geschenken ist.“
Da geht sie noch zur Schule und hat Freundinnen, mit denen sie sich treffen kann.
Ein paar Tage später schreibt sie:
„Es ist für jemanden wie mich ein eigenartiges Gefühl, Tagebuch zu schreiben. Nicht nur, dass sich später keiner, weder ich noch ein anderer, für die Herzensergüsse eines dreizehnjährigen Schulmädchens interessieren wird. Aber darauf kommt es eigentlich nicht an, ich habe Lust zu schreiben und will mir alles Mögliche gründlich von der Seele reden.“
Ihr fehlt die Freundin, der sie sich anvertrauen kann.
Das Tagebuch ist da willkommener Ersatz.
Nicht einmal einen Monat später muss sie mit ihrer Familie untertauchen. Die Eltern haben da schon seit langer Zeit ein Versteck vorbereitet. Den Tag des Verlassen ihrer Wohnung beschreibt Anne Frank:
„Wir zogen uns alle vier so dick an, als müssten wir in einem Eisschrank übernachten, und das nur, um noch ein paar Kleidungsstücke mehr mitzunehmen. Kein Jude in unserer Lage hätte es gewagt, mit einem Koffer voller Kleidung aus dem Haus zu gehen. Ich hatte zwei Hemden, drei Hosen, zwei Paar Strümpfe und ein Kleid an, darüber Rock, Mantel, Sommermantel, feste Schuhe, Mütze, Schal und noch viel mehr. Ich erstickte schon zu Hause fast. Doch danach fragte niemand. …
Um halb acht schlossen auch wir die Tür hinter uns.“
Mit dieser Detailgenauigkeit beschreibt sie sowohl ihre neue Umgebung als auch ihr Leben im Versteck, ihre Stimmungen und das der anderen. Da gibt es die fröhliche Anne, die lacht, freche Antworten gibt, gleichgültig die Schultern hochzieht und tut „als ob ihr es ihr nichts ausmacht. Aber genau umgekehrt reagiert die stille Anne. Wennich ganz ehrlich bin, muss ich dir bekennen, dass es mich trifft, dass ich mir unsagbar viel Mühe gebe, anders zu werden, aber dass ich immer wieder gegen stärkere Mächte kämpfe.
Es schluchzt in mir.“
Zwei Jahre später am 4. August 1944 werden sie abgeholt, offensichtlich weil ihr Versteck verraten worden ist. Margot und ihre Schwester werden ins KZ nach Bergen-Belsen transportiert, wo sie beide wahrscheinlich im Winter 44/45 an Typhus sterben. Nur Otto Frank überlebte und sorgte später dafür, dass das Tagebuch seiner Tochter weltweit Verbreitung fand und immer noch findet.
Möge es weiterhin Mahnmal sein. Es scheint mir heute wichtiger denn je zu sein, vor den Folgen von Antisemitismus bzw. menschenverachtenden Haltungen jeglicher Art zu warnen.
Ich halte es da mit Margot Friedländers Aussage:
«Wir sind doch alle Menschen, kommen auf dieselbe Art und Weise auf diese Welt. Es gibt kein christliches, kein muslimisches, kein jüdisches Blut. Es gibt nur menschliches Blut.»
8 Gedanken zu „In memoriam Anne Frank“
Wie unsäglich reif und verständig sie doch war für ihr Alter!
Und wie herzzerreissend sich das noch immer anhört, resp. liest.
Danke für den schönen Post und herzlichen Gruss,
Brigitte
Das wird man wahrscheinlich aufgrund so gravierender Umstände –
sicher nicht von selbst, denn jeder reagiert auch auf andere Art und Weise darauf.
Herzliche Grüße
Für die Junioren habe ich bei KiKa eine tolle Sache über Anne Frank gefunden:
https://www.ardmediathek.de/video/kinder-und-familienfilme/wo-ist-anne-frank/kika/YTliNWY4NTUtZTFjMC00Mzg5LTk1MTItZDA4MmVmZjQ4MDJh?isChildContent=
Zumindest meinem Sohn hat das sehr gut gefallen!
Ihr Buch habe ich schon sehr oft verschenkt und lese es von Zeit zu Zeit immer wieder -immer wieder anders, je nach dem, was ich inzwischen wieder gelernt habe!
Ja, so ist das mit guten Büchern.
Sie sind (fast immer) ansprechend.
Danke auch für deinen Link
Wie sehr sich Anne täuschen sollte, ihr Tagebuch hat viele Menschen interessiert – und tut es immer noch, dank Annes Vater.
Danke fürs Erinnern an einen so wichtigen Geburtstag!
Auf die Religion Menschsein! Nichts anderes zählt – gerade in Tagen wie diesen!
Herzliche Grüße
Nur schade, dass sie das selbst nicht mehr erleben durfte.
Herzliche Montagmorgengrüße.
DIese Zeilen gehen mir so zu Herzen – es ist unfassbar traurig.
Mir geht es genauso – angesichts der überall zu sehenden rechten Tendenzen lese ich es mit innerem Grausen und
Entsetzen.
Herzliche Grüße