Petra Hofmann, Nie mehr Frühling

Petra Hofmann, Nie mehr Frühling

„Nie mehr Frühling“ ist der beeindruckende Erstlingsroman von Petra Hofmann, in dem das Leben der Hermine Stoll erzählt wird, gleichzeitig aber auch die Geschichte ihres Dorfes, beginnend mit der „neuen Zeit“ in den 30igern des letzen Jahrhunderts bis in die 90iger Jahre. Dabei stehen überwiegend die Frauen im Focus, was nicht weiter verwunderlich ist, sind doch die meisten Männer zunächst im Krieg.

„Auf dem Küchenboden liegt sie, vor dem Herd, zusammengekrümmt.
Sie regt sich nicht.
Mutter?, sagt Paul.
In den Kleidern liegt sie da, die dünnen Beine in den Gummistiefeln. …
Ihm wir übel. Und doch muss er hinsehen, muss ihre Fratze betrachten, die kurzen grauen Fusseln auf ihrem Schädel, ihre schmale Gestalt in den zerlumpten Kleidern. … Packen möchte er die Mutter jetzt, sie schütteln, wach auf, möchte er schreien, verfluchtes Weibsstück, du elende Kreatur!“

Diese herzzerreißende, gleichzeitig so befremdliche Szene wiederholt sich wörtlich am Ende des Romans wie eine Rahmenhandlung. Denn nach der zitierten Eingangsszene beginnt die chronologische Erzählung von Hermines Leben mit der Schilderung eines Frühlingstages, an dem sie mit ihrer Schwester Lene in einem „Kleid mit Kornblumen“ auf eine Maifeier geht:

„Die Dorfstraße liegt im hellen Licht des Frühlings, voll Verheißung ist die Luft…“ Hermine trifft sich dort mit Karl, den sie später auch heiratet und ihm in ihrem Ehegelübde verspricht:
„Ja, ich will, … bis in den Tod und darüber hinaus“.

Karl muss später in den Krieg und kommt nicht wieder. Die lebensfrohe, fröhliche und auch sehr eigenwillige Frau, als die sie bis dahin durchs Leben gegangen ist, zerbricht daran, vernachlässigt sich und ihre beiden kleinen Kinder Paul und Dieter. Sie haben fortan kein wirkiches Zuhause mehr, wo es warm, hell ist und eine Suppe auf dem Tisch steht, sie sind auf sich allein gestellt und fühlen sich auch noch für die Mutter verantwortlich, mit verheerenden Folgen für ihre kindlichen Seelen.

Der Leser begleitet diese Menschen und die Menschen des Dorfes durch prägnante Situationen ihres Leben, bis hin zum Tod der Mutter und der sich daran anschließenden Beerdigung, an der nahezu das gesamte Dorf teilnimmt.

„Jeder hat sie mit seinen Augen betrachtet und jeder hat es besser gewusst. Und dabei auch seinen Stab gebrochen über sie, über ihr Leben. Aber das, denkt Paul, steht euch nicht zu, niemandem steht das zu. Ein Leben ist ein Leben, und es gilt. Das ist alles.“

Ein Buch, einfach geschrieben, doch in einer Sprache, die Verstehen ermöglicht, verschiedene Perspektiven darstellt, aber nicht verurteilt. Ein Buch, das vielleicht ein Begreifen der Kriegsgeneration ermöglicht, gleichzeitig aber auch verdeutlicht, wie schwierig bzw. unmöglich Verstehen für die Betroffenen ist, die eher gelernt haben, Gefühle zu schlucken und mit Alkohol zu betäuben als zu reden.

Ein sehr empfehlenswerter, kurzweiliger Roman, dem ich viele LeserInnen wünsche. Und mit Christine Westermann hoffe ich, dass es nicht das letzte Buch der Autorin ist.

Petra Hofmann, Nie mehr Frühling, Picus Verlag Wien 2015, 231 S., ISBN 978-3-7117-2019-1

4 Gedanken zu „Petra Hofmann, Nie mehr Frühling

  1. Den Stab brechen über das Leben anderer- nein, das geht wirklich nicht!
    Immer im Frühling dies: Wie viele dieser Prachtjahreszeit man wohl noch erleben darf?
    Deine Rezension gefällt mir!

  2. Dank dir fürs Lob.Das Buch hat mir auch außerordentlich gut gefallen!! Es ist so leise und gleichzeitig so laut und tiefgründig!
    Dir einen außergewöhnlichen Frühling(stag)!!

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