Sadie Jones, Jahre wie diese

Sadie Jones, Jahre wie diese

Luke wächst in ziemlich kaputten Lebensverhältnissen auf, die ihn innerlich zerreißen; er schreibt „sich in linierten Kladden aus sich selbst heraus„.

Seine Mutter lebt schon immer in einer Anstalt, sein Vater – ehemaliger Jagdbomberpilot – ist Alkoholiker, der mit seinem Leben nicht klar kommt. Luke glaubt fest daran, dass seine Mutter, „wenn er irgendetwas richtig machte – absolut richtig machte – vielleicht wieder gesund würde.“ So schmuggelt er sie einmal aus der Anstalt, um mit ihr in London in ein Museum zu gehen und fühlt sich als Retter, als er bemerkt, wie sie lächelt und ihr Gesicht einen „rosigen Schimmer“ annimmt.

Zur gleichen Zeit ist die elfjährige Nina mit ihrer Mutter, einer nicht mehr wirklich gefragten Schauspielerin, in diesem Museum. Sie ist fest davon überzeugt, dass in Kunst, Literatur und Kultur nur Männer Frauen „erschaffen“ können. Sie wird ihrer Tochter später nahelegen, einen ihrer Meinung nach einflussreichen Mann zu heiraten, der sie als Schauspielerin groß herausbringen werde. Den Preis, den ihre Tochter dafür zu zahlen hat, will sie nicht sehen.

Luke und Nina treffen Jahre später in London aufeinander. Sie ist mittlerweile Schauspielerin und Luke hat mit Leigh und Paul, einem befreundeten Paar, mit denen er auch zusammenwohnt, eine eigene Theaterkompagnie gegründet, in denen sie zunächst fremde Stücke aufführen, mit dem Ziel, den etablierten Produktionen im West End Konkurrenz zu machen. Mit einigem Erfolg. Später soll es ein Stück von Luke sein, in dem Nina die Hauptrolle spielen soll. Luke und Nina beginnen eine Affaire mit weitreichenden Folgen für beide, privat und beruflich.

Der Roman vermittelt im Milieu der Theater- und Kulturwelt Londons einen Einblick in die Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens in den Sechzigerjahren des letzten Jahrhunderts, in die Versuche der jungen Erwachsenen, anders zu leben als die Eltern, um doch immer wieder festzustellen, wie prägend die Herkunft sich ins eigene Denken und Handeln einschleicht. Er zeigt auch, dass Leben nicht immer linear verläuft, sondern durch Risse, Brüche und Krisen gekennzeichnet ist. (wirkliche) Liebe allein scheint der Faktor, aus der „geschriebenen Welt“ der Kladden ins reale Leben zu wachsen:

Dann war der Kuss vorbei.
Einen Moment standen sie nur da und wussten nichts zu sagen. Sie sahen sich nicht an, aber er nahm ihre Hand. Die Welt kam langsam zurück, und sie traten wieder in sie ein. Sie setzen sich in Bewegung, in die Richtung, in die sie vorhin gegangen war, aber gemeinsam. Sie redeten nicht, sie waren einfach beieinander. Es fühlte sich nicht beabsichtigt an. Es fühlte sich nicht schicksalhaft an. Es war icht geschrieben worden.“
So endet der Roman. Wer sie ist, wird nicht verraten.

Sadie Jones, Jahre wie diese, Roman, aus dem Engl. v. Brigitte Walitzek, Deutsche Verlags-Anstalt, München 2015, 411 S., ISBN 978-3-421-04629-1

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