Ulrich Matthes liest Herta Müller
Vorläufig das letzte Mal hat Ulrich Matthes gestern bei den Ruhrfestspielen gelesen. Die Ära Frank Hoffmann geht zu Ende und damit finden offensichtlich auch einige liebgewonnene Veranstaltungen keine Fortsetzung.
Mit „Atemschaukel“ von Herta Müller hat Ulrich Matthes einen Roman von unglaublicher Intensität gewählt, der mich damals schon sehr fasziniert hat.
Matthes schafft es jedes Mal, den Texten, die er vorliest, eine solche Präsens zu verleihen, dass ich den Eindruck habe, den jeweiligen Roman noch nicht gelesen zu haben. Beim Hören entdecke ich dann Tiefen, die mir beim (einsamen) Lesen verborgen geblieben sind und mich veranlassen, den jeweiligen Roman noch einmal hervorzuholen. Etwa jene Stelle, an der der Protagonist übers „Schweigen“ spricht:
„Ich habe mich so tief und so lang ins Schweigen gepackt, ich kann mich in Worten nie auspacken. Ich packe mich nur anders ein, wenn ich rede. … Es gibt Dinge über die man nicht spricht. Aber ich weiß wovon ich rede, wenn ich sage, das Schweigen im Nacken ist etwas anderes als das Schweigen im Mund.“ (Herta Müller, Atemschaukel, S. 10)
Diesen Roman muss man gelesen haben. Ich denke, ich werde es noch ein zweites Mal tun. Und daran wird Ulrich Matthes „schuld sein“.