Reden

Reden

(aus: Wolf Haas, Müll, S. 121)

Reden ist, wenn man dem Erzähler in Wolf Haas Kriminalroman „Müll“ glauben darf, keine einfache Sache. Dort liest man Folgendes:

„Menschen, die gar nichts reden, machen einen aggressiv. Leute, die zu viel reden, machen einen auch aggressiv. Im Grunde macht das Reden an und für sich aggressiv, egal, ob zu wenig oder zu viel, außer du erwischt gerade diesen hauchdünnen Bereich, wo es erträglich ist. “ (a.a.O.S. 121)

Der Ansicht scheinen die Veranstalter der am 1. Mai startenden 77. Ruhrfestspiele in Recklinghausen nicht zu sein. Denn dort gibt es die Aktion „Bench Invasion“, bei der Menschen mit einem zusammensteckbaren Bänkchen durch die Innenstadt gehen und andere auffordern, sich neben sie auf die Bank zu setzen, offen für das, was in dem Moment möglich ist:

zuhören, reden, schweigen, schauen, einander ansehen, nebeneinander sitzen …

Vielleicht hängt das Ergebnis des Redens ja auch in hohem Maße von der inneren Einstellung und den vorhandenen oder nicht vorhandenen Erwartungen an den jeweils anderen ab. Ist absichtsloses Sich- Einlassen, auf das, was gerade ist, möglich?
Einfach so?

4 Gedanken zu „Reden

  1. Spannend, deine und Haas‘ Ausführungen zum Reden – und Zuhören.
    Wobei mir deine Erläuterungen näher sind als seine.
    Jedenfalls sind das schöne Denk-Impulse.
    Danke und herzliche Grüsse,
    Brigitte

    1. Haas hat offensichtlich eine sehr spezielle Sicht auf die Welt, die Menschen und seine Sprache ist da noch spezieller ;) Ganze Sätze stehen da ohne Verb bzw. unvollständigem Verb.
      Weiß noch nicht so genau, ob mir das nun so gefällt. Vielleicht ist es ja auch eine österreichische Spezialität? – Keine Ahnung.
      Herzliche Grüße

  2. ja, vielleicht eine österreichische spezialität.
    ich sehe es allerdings so, dass es kunst ist (haas), wo die wirklichkeit (ihre darstellung) +an ihre ränder getrieben wird, dorthin, wo man noch nicht war, und das andere ist eine der verschiedenen alltäglichen versuche, der wirklichkeit habhaft zu werden – hier eben in der form von psychologisierendem erklären und lenken-wollen. das sind eben zwei grundsätzlich verschiedene ziele und infolge auch herangehensweisen. ums herunterzubrechen: die kunst sucht das unvertraute, unbekannte, das andere sucht das vertraute, bekannte.
    (müßig zu sagen, dass ich den textausschnitt von haas großartig – und so wahr! – finde. )

    mit grüßen aus österreich! :)
    andrea

  3. Danke für diese interessanten Ausführungen.
    Ob das andere (nur) das Vertraute, Bekannte sucht, weiß ich nicht.
    Ein Sich-aufeinander-Einlassen im Gespräch birgt – zumindest für mich – ebenfalls das Potential, Unbekanntes, Unvertrautes zu entdecken und zuzulassen. Dann vielleicht bzw. sicher nicht in einer künstlerisch geprägten Sprache.
    Doch kenne ich auch dort das Ringen um den passenden, stimmigen Ausdruck und zwar immer dann, wenn es um etwas Wesentliches, Essentielles geht.
    Herzliche Morgengrüße

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert