Amanda Cross, Die Tote von Harvard

Amanda Cross, Die Tote von Harvard

Schon der Prolog, Briefwechsel zwischen verschiedenen Dozenten der Harvard Universität, lässt erahnen, was eine Frau als Dozentin an der Universität erwarten wird:

Ausgangslage ist die folgende Tatsache: „Irgendein niederträchtiger Millionär hat Harvard eine Million Dollar für einen neuen Lehrstuhl im Fachbereich Anglistik angeboren – unter der Voraussetzung, dass er mit einer Frau besetzt wird. Die erfreuliche Tatsache, dass bei uns noch nie eine Frau einen Lehrstuhl hatte, macht uns zweifellos zum geeigneten Opfer einer Wohltätigkeit.

Und an dieser Universität ist Kate Fansler als Gastdozentin und erlebt dort hautnah „das männliche Gepluster und umständliche Getue“ ihrer männlichen Kollegen. Zur Studentensprechstunde erscheint vor ihrem Büro Joan Theresa, eine Frau, die die „Bewegungen einer Frau, die all die vorsichtigen kleinen Gesten, die gemeinhin als weiblich gelten endgültig hinter sich gelassen“ hat. Sie wohnt ein einer Frauenkommune und lehnt vehement das Patriarchat und seine Konsequenzen für Frauen ab, ja bekämpft sie, wo auch immer es ihr möglich ist.
Sie bittet Kate um Hilfe, Klarheit in einen Vorfall zu bringen, der von den männlichen Harvardmitgliedern als „Janet-Mandelbaum-in-der-Badewanne-Trara“ bezeichnet wird.

Janet Mandelbaum, eine kluge und außerordentlich schöne Frau, erste Professorin an der Harvard Universität, ist vielen aus der „Herrenriege“ ein Dorn im Auge. Nach einem geselligen Zusammensein auf dem Campus wird sie bewusstlos und völlig besoffen in einer Badewanne aufgefunden, neben ihr eine Frau aus der Frauenkommune Joan Theresas. Sofort entsteht das Gerücht entsteht, Janet Mandelbaum sei lesbisch und die ihr zu Hilfe geeilte Frau befürchtet massive Auswirkungen auf ihren Sorgerechtsstreit mit ihrem Ex.

Kate, die mit Janet studiert hat, beginnt – zunächst eher widerwillig – mit ihren Recherchen und lernt auf diese Weise Harvard auf völlig andere Art und Weise kennen. Sie blickt hinter die Fassaden dieser so auf ihren Ruf bedachten Universität. Leider zunächst ziemlich erfolglos. Und dann wird Janet Mandelbaum eines Tages tot auf einer Männertoilette gefunden – getötet durch eine Zyankalikapsel. Janet sucht nach Motiven für die Tat und wird – wieder einmal – mit Hilfe der Literatur fündig.

Es ist erneut ein typischer Amanda Cross Roman, in dem es neben der Aufklärung eines Deliktes auch um gesellschaftspolitische Zustände geht, die sich in diesem Fall an den männlich geprägten Strukturen und Gegebenheiten an der Harvard Universität ablesen lassen, in denen Frauen mit Vorurteilen, Abwertungen begegnet wird, die in die Isolation getrieben und lächerlich gemacht werden, wo auch immer sich eine Gelegenheit ergibt, oftmals aus einer tief sitzenden Angst heraus, nun auch noch Frauen als Konkurrenten im Universitätgetriebe erleben zu müssen.

Man/ frau könnte nun denken, die Zeiten seien ja doch schon lange vorbei. Doch wenn man sich die aktuelle Rede Trumps anhört, wie er seine Konkurrentin Nikki Haley abwertet, dann weiß man, dass bei einigen Männern der Hass gegen Frauen, die dem männlichen Bild „Gib-dir-Mühe-und-sei-eine-gute-Ehefrau“ nicht entsprechen, immer noch tief sitzt und weit verbreitet ist.
So ist dann dieser Roman – leider – immer wieder und immer noch aktuell, auch wenn Frauen sich sicherlich bereits weitere Domänen erschlossen habe, die bislang eher Männern vorbehalten waren.

Amanda Cross, Die Tote von Harvard, Roman, a.d.Engl. v. Helga Herborth, Dörlemann Verlag, Zürich 2024, 287 S., ISBN 978-3-03820-139-7

3 Gedanken zu „Amanda Cross, Die Tote von Harvard

  1. Ich habe Deine Rezension sehr genossen, vielen Dank!!
    Ich kann mir das alles sehr gut vorstellen … in der Realität!

    Ist es nicht überhaupt bedauerlich, dass Trump gerade mit Hilfe der Frauen in die Steigbügel der Macht gehievt wurde – und vielleicht wieder mit ihrer Hilfe Präsident wird? Egal, was er gesagt, getan hat? Als Frau und als Mensch bin ich da ziemlich fassungslos! Und das Schlimme: Die konservativen, rechtsstehenden christlichen Kirchen sind ebenfalls hinter ihm stehend! Habt Acht, sozusagen.
    Ebenso, wie es nachdenklich machen muss, dass ein über 80-Jähriger wiederum für die Demokratische Partei in den Ring steigt. Gibt es keinen Nachwuchs? Mangelt es den jungen Damen und Herren an echten Visionen für Amerika?
    Zutiefst nachdenklich, C Stern

    1. Da muss man nicht einmal nach Amerika schauen. Eine Vision für Deutschland kann ich – außer bei den Rechten – nicht wirklich erkennen.
      Aber vielleicht liegt’s ja auch an mir.
      Herzliche Morgengrüße

      1. Aber natürlich, das, was sich in den USA abspielt, sehen wir überall, auf der ganzen Welt. Und eben genau so auch in D und Ö. Auch bei uns in Ö ist nur bei den Rechten erkennbar, was sie für Ö und für die Welt wünschen.
        Was mich an den Amerikanerinnen besonders irritiert, ist, dass sie Trump Dinge verzeihen, die sie sonst niemandem nachsehen würden. DAS ist es, was mich so beschäftigt. Der Mann hat Frauen miesest behandelt, nachweislich – und das spielt alles überhaupt keine Rolle. Das macht mich fassungslos! Und auch seine sonstigen Haltungen sind einfach gemeingefährlich.
        Liebe Abendgrüße!

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