Florentine Anders, Die Allee

Florentine Anders, Die Allee

Florentine Anders hat mit „Die Allee“ einen Roman geschrieben, der die Geschichte ihrer Familie aus wechselnden Perspektiven der Protagonisten – Hermann, Isi und Isa – erzählt und gleichzeitig die des Bauhauses und der Stadtentwicklung des östlichen Teils Berlins nach dem 2. Weltkrieg anhand ihres bekannten Großvaters Hermann Henselmanns, der als bedeutender und das Stadtbild Berlins prägender Architekt der DDR galt.

Florentine Anders, die Enkelin des Architekten Herman Henselmanns, vermag es, auf interessante Weise die Familiengeschichte einzubetten in die wechselhafte Geschichte Deutschlands, die sich immer wieder auf Henselmanns Arbeit auswirkt, der mit seinen visionären Entwürfen den jeweils herrschenden Ideologien oft ein Dorn im Auge war und der auf geschickte Art versucht hat, seine Entwürfen, wenn auch in abgespeckter und veränderter Form, umzusetzen.

Druck haben nicht nur die diversen Machthaber auf ihn ausgeübt, sondern auch die Tatsache, dass er mit Isi, seiner Frau, eine achtköpfige Familie zu ernähren hatte. Sie selbst sind immer wieder auch von den Auswirkungen auf die von den geschichtlichen Ereignissen betroffene Wohnungssituation betroffen. Isi selbst ist talentiert und ambitioniert und will als Architektin arbeiten, muss immer wieder schauen, wie sie es schafft, sich zu emanzipieren und selbstständig zu werden, trotz oder gerade wegen ihrer vielen Kinder und des übermächtigen dominierenden Ehemannes.

Gleichzeitig bekommt man als LeserIn mit, wie nicht nur während der Nazi-Diktatur, sondern auch in der DDR „Schweigen Teil des Systems“ gewesen ist:

„schließlich konnte damals ein falsches Wort, das von den Kindern unbedacht an Freunde weitergegeben wurde, gefährlich sein, mitunter sogar lebensgefährlich. … Seltsam ist nur, dass dieses Schweigen auch viel später nicht gebrochen wurde. … Es dauerte fast ein Jahr, bis sich aus den über Jahrzehnte verdrängten Erinnerungen meiner Mutter für mich in unzähligen Gesprächen ein ungefähres Bild ergibt.“

Es ist ein Roman, der eindrücklich erzählt, wie Menschen in Diktaturen versuchen, ein gelingendes Leben zu leben und mit welchen Normen, gesellschaftlichen Regeln und Vorurteilen sie eingeschränkt werden und Gefahr laufen, instrumentalisiert zu werden. Emanzipation von Frauen war auch in der DDR eine ziemlich schwierige Angelegenheit, da dort die Kindererziehung ebenfalls meinst Sache der Frauen war.

Ich habe den Roman mit großem Interesse gelesen, viele neue Einsichten über die Stadtentwicklung Berlins im Spannungsverhältnis von Ost und West gewonnen. Eine Art Stadtplan von Berlin mit den im Roman erwähnten Straßen und Plätzen hätte mir eine Orientierung sicher erleichtert.

Bin demnächst in Berlin und werde mir auf jeden Fall einige der im Roman erwähnten Gebäude und Wohnanlagen ansehen.

Florentine Anders, Die Allee, Roman, Galiani Verlag, Berlin 2025, 352 S., ISBN 978-3-86971-320-5

Ein Gedanke zu „Florentine Anders, Die Allee

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert