Husch Josten, Die Gleichzeitigkeit der Dinge

Husch Josten, Die Gleichzeitigkeit der Dinge

Dieser Roman beschäftigt sich – sehr unterhaltsam und humorvoll – mit der Frage: Wie halte ich es mit dem Wissen um die eigene Sterblichkeit? Habe ich dazu schon meine eigene Antwort gefunden? Es geht also um die genuin menschliche, philosophische Frage nach dem Sinn des Lebens angesichts der unumstößlichen Tatsache, dass wir alle sterblich sind.

“ ‚Der Tod ist eine Einladungskarte. Sie bekommen sie zu Ihrer Geburt: die Einladung, eine Zeit lang zu leben. Unten rechts steht bei jedem dasselbe: Um Antwort wir gebeten.‘
‚Man sagt zu oder ab?‘
‚Natürlich. Sie können annehmen oder ablehnen, pünktlich oder zu spät kommen, sich unterhalten oder besaufen, früher abhauen, unbemerkt durch die Hintertür verschwinden oder sich höflich verabschieden. Dem Tod ist das egal. Er ist ihr Gastgeber und macht irgendwann das Licht aus.‘ „


Das ist nur eine von vielen möglichen Antworten, die Menschen für sich gefunden haben.
Eingebettet ist diese Frage in die Erzählung einer Freundschaft zwischen Jean Tobelmann, einem Restaurantbesitzer in dritter Generation, der seinen Traum vom Schriftsteller längst aufgegeben hat, und dem viel jüngeren Sourie, der Philosophie und Geschichte studiert, und als Pförtner nachts im Seniorenheim Augustinum in Köln arbeitet, weil er dort zum Lesen kommt und vor allem „in der Nähe von Menschen sein (kann), die ihre letzte Adresse bezogen haben.“

Der Tod fasziniert ihn wie über die Maßen, sehr zur Verwunderung Jeans, in dessen Lokal er regelmäßig auftaucht. Doch Sourie spricht eher heiter und humorvoll vom Tod und vermittelt auf keinen Fall den Eindruck eines Lebensmüden.

Im Seniorenstift lernt er die Fotografin Tessa kennen – ebenfalls mit Jean befreundet und das schon lange – die dort ihre Eltern betreut hat. Nach dem Tod der beiden schlägt Sourie ihr vor, als „Einsamkeitsbotschafterin“ die Heimbewohner zu betreuen. Daraus entsteht später ein Fotoprojekt, mit dem sie die alten Menschen bzw. das für sie Charakteristische festhalten will.
Die beiden verlieben sich, trotz des großen Altersunterschieds von mehr als 20 Jahren und der Tatsache, dass Tessa verheiratet und Mutter zweier Söhne ist. Sie treffen sich zunächst nur in Jeans Restaurant. Es entsteht eine Art Dreiecksfreundschaft.
Jean schaut den beiden zu, wie sie sich aufeinander zubewegen, nimmt ihre Veränderungen, aber auch ihre Vorbehalte, Skrupel, Nachdenklichkeiten über diese Verbindung wahr, spricht mit beiden gemeinsam und auch einzeln und bemerkt, wie sich allmählich Trauer und Sehnsucht über seine eigene verlorene, aber nie vergessene Liebe zu Sanya breit machen.
Die Handlung nimmt verschiedene überraschende Wendungen, die durch Vorausdeutungen Spannung und Neugier auf den weiteren Verlauf und den Ausgang erhöhen, die hier natürlich nicht verraten werden. Und Jean mutiert dann doch noch zum Schriftsteller, denn er ist es, der die Geschichte Souries recherchiert und letztendlich aufschreibt.

Ja, es ist ein Roman über den Tod, der meines Erachtens eine Antwort findet: Freundschaft und echte Liebe, die als „einzige Waffe gegen die Vergänglichkeit“, die wirksam und wirkmächtig ist. Und auch darüber wird erzählend gefragt, was Freundschaft, was Liebe ist, welche (gesellschaftlich) erlaubt ist und ob die Liebe, die Liebenden sich danach zu richten haben.

Ich finde diesen Roman unterhaltsam und trotz des für viele vielleicht bedrückenden Themas – für mich ist es das nicht, da gibt es so einige Ähnlichkeiten mit Sourie – unterhaltsam, mit einem Hauch von Märchen – oder auch nicht. Man möge sich nach der Lektüre selbst ein Urteil bilden und die Frage beantworten, ob man sich „die Erlaubnis gibt, fraglos zu leben, glücklich zu sein, … das Leben beim Schopfe zu fassen.

Husch Josten, Die Gleichzeitigkeit der Dinge, Roman, Berlin/München 2024, 224 S., ISBN 978-3-8270-1513-6

4 Gedanken zu „Husch Josten, Die Gleichzeitigkeit der Dinge

  1. Huch, du bist bei mir im Reader nicht aufgetaucht, deswegen war ich so lange nicht hier! Das Buch ist ganz mein Genre. Ich schaffe es nicht, es passiert so viel anderes im Leben…

    Liebe Grüße ins Wochenende, piri

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