Janet Hobhouse, Die Furien

Janet Hobhouse, Die Furien

„Ich bin gewissermaßen immer noch ein Objekt in einem Satz, der von einem männlichen Subjekt beherrscht wird. Erst war es eine Frau, dann war es ein Mann, und nun sind beide fort. Und das ist die Ironie, denn ich habe erreicht, was ich immer wollte. Seit ich Frauen bewundere, gilt meine Bewunderung ihrer Fähigkeit, allein zurecht zukommen, sich zu bewähren, im Vorbeigehen, ihren eigenen Luftzug aufzuwirbeln.“

Janet Hobhouse erzählt in „Die Furien“ die Beziehungsgeschichte zwischen Helen und ihrer Mutter, breit und lang eingebettet in die Herkunft ihrer früher sehr reichen New Yorker Familie. Helen allerdings wächst in sehr armen Verhältnissen ohne Vater auf, mit Bett, einer Mutter, die ihrem Leben nicht wirklich gewachsen ist und ihre Schönheit und Attraktivität als einziges Kapital in ihrem Leben ansieht. Immer wieder verfällt Bett in Depressionen, in denen Helen sich dann für ihre Mutter zuständig fühlt. So entsteht zwischen ihnen eine verwirrend verstrickte Beziehung, die Helen letztendlich daran hindert herauszufinden, was genau ihr selbst im Leben wichtig ist.

Eine zeitlang lebt sie bei ihrer als Künstlerin tätigen Großmutter Gogi und lernt dort ein anderes, freiere, kreativeres und selbstständigeres Leben einer Frau kennen:
„Bei aller augenscheinlichen Kargheit, in der meine Großmutter lebte, eine Welt, die sich ein Kind ausgedacht haben könnte: voller Abenteuer, Begegnungen, schrullliger Leute, Zeitvertreib und konstruktiver Gestaltung. … Gogis Atelier war gewissermaßen ein Paradies für intelligente Kinder. … Vielleicht merkte ich schon damals, daß ich durch sie etwas Wesentliches über Frauen lernen konnte, das ich später brauchen würde.“

Helen entschließt sich schlussendlich, in Oxford Literatur zu studieren, wird Autorin und heiratet Ned, ihre große Liebe, fühlt sich dennoch in London, wo sie mit ihrem Mann wohnt, nicht wirklich zu Hause. Denn sie fühlt sich zwischen New York und London hin- und hergerissen. Als ihr Mann die Möglichkeit bekommt, in New York bei einer Zeitschrift zu arbeiten, hofft sie, dass das „ersehnte Ende ihrer geopsychischen Schizophrenie“ gekommen ist:

„Ich brauchte mich nicht mehr zwischen London und New York hin und hergerissen zu fühlen zwischen Ned und Bett. Ich würde die beiden wichtigsten Menschen in meinem Leben an einem Ort versammelt haben.“
Ihr ist da noch nicht bewusst, dass ihre Zerrissenheit nicht in erster Line eine Frage des Ortes, der Distanz zwischen ihr und ihrer Mutter ist, sondern eher eine Frage ihrer Beziehung, ihrer Gebundenheit an das Leben und Wohlergehen ihrer Mutter insgesamt.

„Wir stritten uns also, und damals hatte ich das Gefühl, daß ich mich mit ihr anlegte, um sie abzuwehren, um ihre mütterlichen Tenetakel von mir fernzuhalten – aber der andere war, daß isch sie behalten wollte. Möglicherweise hatte ich meine Depression nur deshalb, damit wir „Schwestern“ bleiben konnten. Gleichgestellte, Partner, und seien es auch nur Sparringspartner. … Und nach jedem Streit, wie weit wir auch übers Ziel hinausgeraten sein mochten, wie ershöpft, verzweifelt oder angeschlagen, aber voller Genugtuung wir auch waren, vergewisserten wir uns, daß wir uns noch gut waren – „
Letztendlich ist es Helen nicht wirklich möglich, sich von der gefühlten Verantwortung für ihre Mutter zu lösen, das Drama zwischen ihnen setzt sich fort, mit gravierenden Folgen für ihr Leben, bis eine Tragödie ihre Beziehung beendet.

Ich habe mich mit diesem Roman zunächst ziemlich schwer getan, ihn immer wieder zur Seite gelegt und dann wieder neu angefangen. Die lange Einleitung, d.h. die Schilderung der reichen Ursprungsfamilie hat mich nicht in ihren Bann gezogen: zu langatmig, zu detailverliebt, ohne dass sich mir der Sinn dieser Ausführlichkeit erschlossen hätte. Ich bin erst in den Roman „eingestiegen“, wo es beginnt, um Helen und ihre Mutter zu gehen, wie sie leben, was es mit Helen macht, dass ihre Mutter ist, wie sie ist und wie diese ihre Beziehung zu Männern lebt. Helen dann auf ihrem Weg, raus aus der Enge dieser Beziehung zu ihrer Mutter in ein eigenes Leben zu begleiten, mit all ihren Schwierigkeiten, sich auch emotional von ihrer Mutter abzunabeln, das hat mich dann wirklich beeindruckt und mein Lesetempo erhöht, denn da war ich dann in der gut und spannend erzählten Geschichte.

Janet Hobhouse, Die Furien, Roman, deutsch v. Anne Steeb u. Bernd Müller, Dörlemann Verlag, Zürich 2023, 445 S., ISBN 978-3-03820-131-1

4 Gedanken zu „Janet Hobhouse, Die Furien

  1. klingt anstrengend aber interessant. weiss nicht, ob ich’s lesen möchte. aber die entwicklung der tochter zu verfolgen, könnte sich womöglich lohnen. danke für die rezension!
    lieber Gruß
    Sylvia

    1. Ja, das war es auch, ich kann’s also nur bedingt empfehlen, aber das ist natürlich, wie alle Rezensionen hier, subjektiv.
      Nur, wenn’s so lange dauert, bis ich in einer Geschichte bin, dann habe ich eher Lust, zu einer anderen Lektüre zu greifen.
      Diejenigen, die „alte Familiengeschichten“ mögen, finden hier sicher ihr Eldorado :)
      Hab einen angenehmen 2. Advent,
      herzliche Grüße.

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