Nicolas Lunabba, Bist du traurig, wenn ich sterbe
“ ‚Wir müssen die ganze Geschichte erzählen! Dass du dich um mich gekümmert hast, wie wir gestruggelt haben, von Mama. Ich will, dass wir hundert Prozent real sind. Nick, dass wir es genauso erzählen, wie es war.‘
‚Das wirst du eines Tages bereuen‘, sagte ich. ‚Aber gut, wenn wir ein bisschen von uns und unseren Träumen erzählen, soll das klargehen.‘
‚Okay‘, sagtes du. ‚Wie du willst. Hauptsache, wir sind hundert Prozent real.‘ “
Als LeserIn kann man sicherlich nicht beurteilen, ob dieser – eher unrealistische – Anspruch realisiert wird. Klar aber ist, dass es sich um eine Art Erlebnisbericht handelt, der davon erzählt, dass der Ich-Erzähler Nick, ein Sozialarbeiter in Schweden, den Jugendlichen Elijah bei sich zu Hause aufnimmt und welche Schwierigkeiten er selbst damit hat:
„Ich habe Angst, dass du mir zu nahe kommst. Dass du deine laute, fordernde Seite herauskehrst. Dass du mir meine so dringend benötigten nächtlichen Stunden der Einsamkeit raubst, den Zorn und Hass in mir weckst, dass unsere Beziehung daran zerbricht.“
Es ist aber nicht nur die Geschichte dieser beiden mit ihren persönlichen Schweirigkeiten und Hindernissen, sondern gleichzeitig auch die Beschreibung der Lage der „svartkallar“ in der schwedischen Gesellschaft, besonders die der männlichen Jugendlichen: Mit welchen Vorurteilen man ihnen begegnet und wie schwer es für sie ist, sich aus den prekären Verhältnissen ihrer Familien zu emanzipieren.
Trotz aller Schwierigkeiten, die die beiden miteinander, aber auch mit sich selbst haben, Nick begleitet Elijah erfolgreich durch alle Höhen und Tiefen.
Keine einfache, aber eine wichtige Lektüre, zumal sie von jemandem geschrieben worden ist, der sich mit den sozialen Ungerechtigkeiten und dem strukturellen Rassismus (in Schweden) auskennt. Man lernt ein Schweden kennen, das sich so sehr von der „Pippi-Langstrumpf-Idylle“abhebt, die sicher viele vor Augen haben, wenn sie das Wort „Schweden“ hören.
Nicolas Lunabba, bist du traurig, wenn ich sterbe, a.d. Schwedischen v. Stefan Pluschkat, Rowohlt Verlag, Hamburg 2024, 302 S., ISBN 978-3-498-00377-7
2 Gedanken zu „Nicolas Lunabba, Bist du traurig, wenn ich sterbe“
Vielleicht ist es wichtig, zu zeigen, dass Schweden nicht nur idyllisch ist, sondern ein Land mit vielen Gegensätzen, mit viel herrlicher Natur, aber auch mit gravierenden Problemen.
Danke für die Buchbesprechung.
Einen lieben Gruss ins helle und überwiegend sonnige Heute,
Brigitte
Die Natur spielt in diesem Fall keine Rolle, da sich das Erzählte in einer schwedischen Großstadt passiert.
Dennoch war ich erstaunt über den Umgang mit Minderheiten.
Liebe Grüße aus dem sich nur langsam lichtenden Speckhorn