Robert Seethaler, Jetzt wirds ernst

Robert Seethaler, Jetzt wirds ernst

„Mein Weg zum Theater war verschlungen. Unvorhersehbar. holprig. Als Kind hasste ich es sogar, angesehen und vorgeführt zu werden.“

Wie kommt also das Kind eines Elternpaares, das ein Friseurgeschäft in der Provinz betreibt, zum Theater? Über Umwege.
Auslöser ist Lotte, ein Mädchen mit grell-pinken Nägeln, die ihn an ein Chevrolet erinnert, das er einmal gesehen und bewundert hat. Eines Morgens sitzt sie einfach so auf seinem Lieblingsplatz auf dem Schulhof, mit einem kleinen, dünnen, gelben Heft im Schoß:

„Alles an diesem Mädchen war perfekt. Alles passte zusammen. Alles saß, wo es hingehörte. Nicht einmal diese kleine, weiße, mondsichelförmige Narbe knapp unter dem Knie störte. Im Gegenteil: Ohne diese Mondsichel hätte etwas gefehlt. Das Knie wäre mir irgendwie unfertig vorgekommen, unvollendet und fehlerhaft, von von Gottes stümperhaftem Lehrling hingepfuscht.“

Es ist das erste Mädchen, das ihn derart fasziniert und er hat keine Ahnung, wie er mit ihr in Kontakt kommen kann. Sie übernimmt den ersten Schritt und lädt ihn ein, sich ebenfalls auf die Bank zu setzen. Der Beginn einer zarten Romanze und der Beginn seiner Theaterlaufbahn. Denn um ihr nah zu sein, ihr zu imponieren, tritt er ebenfalls der Theater AG der Schule bei, obwohl er den Text der „Möwe“ von Anton Tschechow völlig blöd findet.

Aber ausgerechnet Max, sein bester Freund spannt ihm Lotte dann aus, was ihn in eine tiefe Krise stürzt. Seine Theaterambitionen allerdings gibt er nicht auf. Im Gegenteil.

„Jetzt wird’s ernst“ ist ein Entwicklungsroman über einen Jungen aus der Provinz, der früh seine Mutter verloren hat, sich ausgegrenzt oder zumindest nicht dazugehörig fühlt, der erste, für ihn nicht besonders angenehme Kontakt zu Mädchen hat, die Schule abbricht, sich als Friseurlehrling im Salon seines Vaters versucht, aber schnell merkt, dass das nicht – wie bei seinem Vater – zu seiner Berufung werden kann. Er zieht von zu Hause aus, tastet sich in sein eigenes Leben und beginnt dennoch zielstrebig darauf hinzuarbeiten, Schauspieler zu werden. Er geht in das „THEATER IM KELLERLOCH“, das Janos und Irina Podgacek leiten, das einzige am Ort:

“ ‚Was hat du hier zu suchen? …
‚Nichts!‘, sagte ich.
‚Dann hau ab!‘
Sofort hatte ich den Impuls zu gehorchen. Einfach abzuhauen. Davonlaufen. Wegrennen. Nie wieder kommen. Aber auf einmal spürte ich etwas im Nacken. Knapp unter dem Haaransatz hatte sich plötzlich etwas festgesetzt und eingekrallt. Und das breitete sich jetzt aus. Weitete mir den Brustkorb, zog mir das Kreuz auseinander, und quetschte meine Arschbacken zusammen, das es nur so knackste im Steißbein. Das war die Sturheit.
‚Nein!‘ sagte ich.’Ich werde nicht abhauen!‘ …
‚Ich will nämlich Schauspieler werden!‘ fügte ich schnell hinzu.
Stille breitete sich im Foyer aus, unendlich lange und bedrückend. Nur die Plastikknarre auf dem Tischchen knackste ganz leise.
‚Gut‘, sagte Janos.‘ Komm mit!“

Robert Seethaler ist, wie auch in seinen anderen Romanen, sehr nah an dem Protagonisten. Hier hat er folgerichtig die Ich-Erzähler-Perspektive gewählt. Doch nicht nur diese Erzählpserspektive, sondern auch die Sprache ist die einen heranwachsenden, unsicheren Jugendlichen, der in der Welt seinen Platz sucht, dabei aber ziemlich auf sich allein gestellt ist. Bis er dann auf Janos und Irina trifft. Über ihre Arbeit mit ihm bekommt er Zugang zu seinem Körper, einen Gefühlen, ohne dass sie als solche thematisiert werden. Sie schaffen es, dass der Ich-Erzähler, das was er auf der Bühne zeigen soll nicht mechanisch „runterleiert“, sondern erlebt und darstellt.

Ein ruhiger, zärtlicher Roman mit viel Sympathie für den Suchenden.

Robert Seethaler, Jetzt wirds ernst. Roman, Zürich 2010, 303 S., ISBN 978-3-0369-5574-2

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