Erich Kästner, Fabian

Erich Kästner, Fabian

Die erste Ausgabe dieser „Geschichte eines Moralisten“ ist zensiert erschienen. Die damals gestrichenen Passagen, sind dem heutigen Leser im Anhang zugänglich. Es ist eine ironisch bittere Großstadtsatire, die der damaligen Gesellschaft den Abgrund vor Augen führen wollte, auf den sie unaufhaltsam zuging. Der ursprüngliche Titel sollte denn auch „Der Gang vor die Hunde“ heißen. Doch sieht man sich in einem (Zerr-) Spiegel, so erkennt man sich oft nicht, sondern bleibt an den Abweichungen vom vermeintlichen Spiegelbild hängen bzw. beschimpft den…

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Leif Lasse Andersson, Midleifcrisis

Leif Lasse Andersson, Midleifcrisis

Nein, Midleifcrisis ist kein Druck- oder Schreibfehler. Leif Lasse Andersson (das Pseudonym eines Berliner Redakteurs) schreibt seine Geschichte auf, die beginnt: „Als meine Frau mich hinauswarf und ich mit 117 anderen schlief“, so der Untertitel des Buches. „‚Du dämliche Sau!‘ “ Leif war traurig, aber noch viel zorniger, als sein Benz-Cabrio nach einer weiteren sinnlos vervögelten Nacht über die Autobahn in Richtung Hamburg rauschte. Neben ihm auf dem Beifahrersitz räkelte sich der Cowboy zufrieden im Ledersitz. ‚Mach mal halblang, Alter,…

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Der Missbrauch war katholisch

Der Missbrauch war katholisch

Immer wieder fällt der Satz: „Der Missbrauch war katholisch.“ Betroffene berichten von sexuellem Missbrauch in kirchlichen Internaten, allerdings „nur“ Teil eines flächendeckenden Terror- und Willkürsystems, in dem man eingebettet war in einen rigiden Tagesablauf, in ein Regelsystem, in dem es unendliche viele Regeln gab, die niemand allumfänglich beachten konnte und man damit immer Gefahr lief, böse, schuldig, sündig oder minderwertig zu sein. Und wenn Regelverstöße nicht ans Tageslicht kamen, war da immer noch der „liebe Gott“, der alles sah, alles…

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Weltherrlichkeiten

Weltherrlichkeiten

Die Herrlichkeit der Welt ist immer adäquat der Herrlichkeit des Geistes, der sie betrachtet. Der Gute findet hier sein Paradies, der Schlechte genießt schon hier seine Hölle. (Heinrich Heine)

Anna Mitgutsch, Abschied von Jerusalem

Anna Mitgutsch, Abschied von Jerusalem

Jerusalem ist „wie eine Sabre, eine Kaktusfrucht, … stachlig und hart, aber der Kern ist weich und duftend süß.“ Hildegard, die sich in Jerusalem Dvorah nennt, ist in Wien geborene Jüdin, lebt aber als Journalistin in Amerika und verliebt sich in Jerusalem in den deutlich jüngeren Sivan, der vorgibt Armenier zu sein. Es ist ein erotisches Liebesabenteuer, das nur im Verborgenen geschehen kann und nur den Augenblick kennt. Denn weder ihre, noch seine Vergangenheit kommen zur Sprache, Zukunft ist undenkbar…

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Lass die Seele sich erheben

Lass die Seele sich erheben

„Lass die Seele sich erheben Frei zu Gott im ew’gen Leben, Wann mein sterbend Auge bricht.“ (Rossini, Stabat Mater) Während dieser Worte brach ein älterer Herr im Konzerthaus Dortmund zusammen und musste rausgetragen werden. Ohne sich umzudrehen, bemerkte der Dirigent Andrés Orozco-Estrada, dass etwas Außer-Ordentliches passierte und unterbrach die Aufführung. Nachdem sich die Türen wieder geschlossen hatten, sang der Chor: „Amen. In Ewigkeit. Amen“ Die Tür blieb geschlossen, obschon immer wieder Menschen versuchten, diesen Ausgang zu benutzen. Wenn Rossinis Stabat…

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Haruki Murakami, 1Q 84 Buch 3

Haruki Murakami, 1Q 84 Buch 3

Buch 3 ist der dritte und letzte Teil von 1Q 84, einer modernen, verrückten Variante von Romeo und Julia. Verrückt, weil die Wirklichkeit, in der Aomame und Tengo leben und sich begegnen, nicht die wirkliche ist, obwohl ihre Liebesgeschichte in der wirklichen Wirklichkeit begonnen hat und dort wunschgemäß auch weitergehen soll. Doch damit sind gewisse Personen, die einer Welt mit zwei Monden angehören, nicht einverstanden. Sie setzen alles daran, Aomame gefangen zu nehmen und versuchen, mit Hilfe des Detektivs Ushikawa…

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nervöses, zaghaftes Rosa

nervöses, zaghaftes Rosa

In Murakamis drittem Band 1Q84 beschreibt er das Wollkostüm einer Grundschullehrerin, wobei die Form, der Schnitt nicht der Rede Wert sind, aber die Farbe: „Ihr Wollkostüm war … von einem seltsamen Rosa, das wie aus den falschen Farben gemischt schien. Wahrscheinlich hatte man einen eleganteren, ruhigeren Farbton angestrebt, aber dieses Vorhaben war misslungen, und das Rosa war stattdessen von Nervosität, Zaghaftigkeit, Resignation und Melancholie getränkt, wodurch die nagelneue weiße Bluse, deren Kragen aus dem Kostüm hervorschaute, wie ein ungebetener Gast…

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Die Engel von Paul Klee

Die Engel von Paul Klee

„Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele.“ (Pablo Picasso) Wenn das stimmt, ist meine Seele reinweiß, jetzt nach dem Besuch der Kleeausstellung im Folkwangmuseum Essen. Es ist eine kleine feine wunderbare Ausstellung seiner farbigen und bloß mit Bleistift auf weißes Papier gezeichneten Engel. Engel, die alles andere als vollkommene Wesen sind, im Gegenteil: unfertig sind sie, zweifelnd, häßlich, eben eher menschlich. Empfehlenswerte Ausstellung und dennoch nicht soo überlaufen wie die vorherige.