Anne Nübel-Orthen, Auf tauben Sohlen unterwegs

Anne Nübel-Orthen, Auf tauben Sohlen unterwegs

Beim Lesen Buches „Auf tauben Sohlen unterwegs. Mit Multipler Sklerose auf der Reise zum wahren Selbst“ musste ich an den erstaunten Ausruf einer Bekannten denken, die zur Zeit von Sogyal Rinpoche „Das Tibetanische Buch vom Leben und Sterben“ liest, weil sie sich mit dem Thema Tod auseinandersetzt:

„Ich wusste gar nicht, dass Tod soviel mit Leben zu tun hat!“

In Anne Nübel-Orthens Buch geht es natürlich immer um ihre MS Krankheit, die man bei ihr kurz nach der Ausbildung zur Apothekerin festgestellt hat. Nichts ist mehr wie vorher und trotzdem geht sie weiter ihren Weg.
Für sie stellt sich die Frage: Wie lebe ich mit dieser Krankheit, die bisher nicht heilbar ist?

Die Autorin lässt sich schulmedizinisch behandeln, wird sich aber zunehmend darüber klar, dass sie damit nur die körperlichen  Aspekte der Krankheit berücksichtigt. Für sie besteht ein Mensch aus : Körper Geist und Seele. Wie kann sie sich da nur auf den Köper konzentrieren? Wo bleiben Geist und Seele?

Erst als sie diese weiteren Aspekte menschlichen Daseins berücksichtigt, alternative Heilmethoden miteinbezieht, zu meditieren beginnt, alte aufgegebene Träume betrauert, kann sie neue entwickeln, Ängste, Trauer und Wut beacht(r)en und anders als bisher mit ihnen umgehen.  Mit der Zeit kann sie ihre Krankheit als Wegbegleiterin akzeptieren:

„Viele Lebenskrisen sind mit Verlusten verbunden und erfordern ein Umdenken und eine Neuorientierung. … Den eigenen Weg zu finden, dabei helfen genau jene Krisen, die uns so sehr an unsere Grenzen zu führen scheinen und dabei in Wirklichkeit neue Weggabelungen aufzeigen.  …
Die entzündeten, MS-bedingten Verhärtungen in meinem Gehirn und meinem Rücken-mark haben zur Aufweichung ganz anderer Verhärtungen in mir selbst geführt und dafür bin ich dankbar: für dieses bunte Abenteuer des Lebens, das eben nicht nur mit Schwarz und Weiß auskommt.“

Es ist ein Buch, das „Einblick in die Achterbahnfahrt mit einer chronischen Krankheit“ gibt, unsentimental geschrieben und keineswegs esoterisch. Eine klare Sprache, viele gut nachvollziehbare Metaphern und Bilder nehmen den Leser auf eine innere Reise mit, die auch für Gesunde oder andere kranke Menschen viele Anregungen enthält, die einem die Möglichkeit bietet, da heil zu werden, wo kein Arzt eine Krankheit diagnostizieren würde.
Dass Krankheit, Krisen jeder Art eine Chance darstellen können, hat man schon allzu oft gehört, auch von Menschen, die eine solche noch nie als Chance für sich erleben konnten.
Anne Nübel-Orthen weiß wovon sie redet. Das Buch ist keines im Sinne von der Sorte: denk positiv und alles ist gut. Nein nicht alles ist gut, aber alles kann man nutzen, um heil zu werden. Wie das geht, ist nicht einfach herauszufinden, das muss auch jeder für sich selbst herausfinden. Aber dass es geht, zeigt die Autorin und man glaubt ihr.
Ein Buch, das ich vielen Lesern wünsche, das man auch in MS-Selbsthilfegruppen zur Kenntnis nehmen sollte.

Anne Nübel-Orthen, Auf tauben Sohlen unterwegs. Mit Multipler Sklerose auf der Reise zum wahren Selbst. Berlin 2012, 143 S., ISBN 978-3-8280-3010-7

 

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