Françoise Frenkel, Nichts, um sein Haupt zu betten

Françoise Frenkel, Nichts, um sein Haupt zu betten

Das Buch „Nichts, um sein Haupt zu betten“ hat einen langen Weg hinter sich, bevor es jetzt in deutscher Übersetzung auch für deutsche Leser zugänglich ist.

(Copyright Hanser Verlag)
Michel Francesconi hat ein Exemplar von „Rien où poser sa tête“, 1945 erschienen, auf einem Flohmarkt in Nizza gefunden, es gelesen und weiterempfohlen, so dass es 2015 in Paris bei Gallimard in einer Neuauflage erscheinen konnte.

Françoise Frenkel, 1889 in Polen geboren, ist leidenschaftliche Buchhändlerin gewesen und versteht sich nach ihrem Literaturstudium an der Pariser Sorbonne als Botschafterin der französischen Literatur. Während eines Aufenthalts in Berlin stellt sie fest, dass es keine Buchhandlung gibt, die französische Literatur anbietet. Kein Wunder nach dem ersten Weltkrieg!

Mutig gründet sie 1921 mit ihrem Mann die erste und einzige französische Buchhandlung in Berlin. Im ersten Teil erfährt man von ihrem Engagement, ihren Schwierigkeiten, aber auch ihrer Unerschrockenheit. Ergebnis ihrer Bemühungen war eine gut gehende, sehr frequentierte Buchhandlung. Mehrfach musste sie sich neue, größere Räumlichkeiten suchen.
Ihre Buchhandlung ist vergleichbar mit einem literarischen Salon. „Madame … wollte in ihrer Buchhandlung einen Hort französischen Denkens schaffen.“ heißt es in dem – dem Buch angefügten – Dossier.

Doch dann kommen die Nationalsozialisten an die Macht. Alles „Ausländische“, alles „Jüdische“ wird bekämpft und soll ausgerottet werden. Am 27. August, ein paar Tage vor der Kriegserklärung gegen Polen, zieht sie nach Paris, wo sie neun Monate bleiben kann, bis auch dort ihr Leben als Jüdin immer schwieriger wird.

In weiten Teilen ist ihr Buch die Erzählung ihrer Flucht vor den Nazis, die sie durch verschiedene Städte Frankreichs führt, immer mit dem Ziel in die Schweiz zu gelangen. Obschon sie die stets zunehmenden Schwierigkeiten nicht verhehlt und darstellt, wie sehr sie darunter leidet, vor allem weil sie zu ihren in Polen lebenden Verwandten gar keinen Kontakt mehr hat, liegt der Fokus ihrer Beschreibungen auf der Hilfe, die sie immer wieder von mitfühlenden französischen Patrioten erhalten hat.

Allen voran ist da das Ehepaar Marius zu erwähnen, das in Nizza einen Frisiersalon hat. Unermüdlich versuchen die beiden François Frenkel das Leben zu erleichtern, wo immer es ihnen möglich ist und bringen sich selbst in Lebensgefahr. Zweimal scheitert Frenkels Versuch, die Grenze zur Schweiz zu überwinden. Sie wird inhaftiert. Ihr droht die Deportation.

„Ich stand von heute auf morgen vor einer verstörenden Alternative: Sollte ich das Risiko, kein Visum mehr zu haben, oder lieber das eines dritten Fluchtversuchs eingehen.
In diesem Moment tauchte ohne Vorwarnung Monsieur Marius auf. Er hatte sich einen achtundvierzig Stunden Urlaub bewilligt, um eine fünfunddreißigstündige Reise zu unternehmen, die er als Mission mir gegenüber betrachtete.“

Frenkel hält fest: „Das ganze Land bewahrte sich seinen Geist der Unabhängigkeit und hörte nicht auf, all jenen Hilfe und Unterstützung zu leisten, die immer zahlreicher herbeiströmten, um hier Zuflucht zu finden.
Der Marquis füllte sich mit Widerständlern, die aus allen Ecken Frankreichs hier eintrafen, Privathäuser versteckten die Verfolgten.
Gestapo und Miliz kamen gleichzeitig, nisteten sich überall. …
Der Einfluss von Vichy wurde immer größer.“

Neben der Hilfe durch andere Menschen bleibt ihr die Fähigkeit, in allem Elend und Leid auch noch das Schöne im Leben wahrzunehmen, etwa in der Architektur, der Natur mit alle ihren Phänomenen. Offensichtlich ein Resilienzpotential, das ihr nicht abhanden gekommen ist.

„Und während ich das überwältigende Schauspiel der Alpen bewunderte, das an mir vorbeizog, sang wieder die sanfte Melodie der Dankbarkeit in mir …“

„Nichts, um sein Haupt zu betten“ ist ein lesenswertes, gut geschriebenes mit Humor, feiner Ironie gewürztes Buch, dem ich viele Leser wünsche.

Françoise Frenkel, Nichts, um sein Haupt zu betten. Mit einem vorwort von Patrick Modiano, Hanser Verlag München 2016, 285 S., ISBN 978-3-446-25271-4

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