Kurt Tucholsky, Schloß Gripsholm

Kurt Tucholsky, Schloß Gripsholm

Die gut zu lesende Sommergeschichte „Schloß Gripsholm“ von Kurt Tucholsky habe ich schon vor längerer Zeit besprochen. Nun hat die Büchergilde Gutenberg zum 90. Geburtstag von Hans Traxler eine von diesem illustrierte Neuauflage herausgebracht, großformatig mit Lesebändchen. Ein Jahr lang hat Traxler an den Illustrationen gearbeitet. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.

Das Dreiecksverhälnis – zeitlich in den Dreißigern des letzten Jahrhunderts angesiedelt – spielt in der Sommerfrische auf Schloß Gripsholm, wie bereits das Cover sichtbar macht. Traxler „fängt“ bereits hier, sieht man genauer hin, die gesamte Atmosphäre dieses Romans hinsichtlich der Dreiecksgeschichte ein.

Doch der Roman wäre sicher nicht von Tucholsky, erzählte er nur von den drei miteinander sich vergnügenden Personen. Die Begegnung mit „einer dünnen Reihe kleiner Gestalten auf einem schmalen Weg“, lässt die Realität eines kleinen Mädchens am Ende dieser Reihe in die Welt der „Schlossbewohner“ einbrechen.
„Was ist das – ?“
Es kam näher.
Kinder waren es, kleine Mädchen, artig aufgereiht, wie Perlchen an der Schnur, immer zu zwei. Eine herrisch aussehende Person ging an ihrer Spitze, sah sich öfter um – keines sprach. Nun waren sie bei uns, wir traten leise beiseite und ließen den Zug vorüber. Die Führerperson warf uns einen glitzernden Blick zu. Die Kinder trappelten dahin. (…) Ganz zum Schluß ging ein Kind allein; es ging, wie wenn es von jemandem gezogen würde, es hatte verweinte Augen, schluckte manchmal im Gehen vor sich hin, aber es weinte nicht. Sein Gesicht war auch nicht verschwollen, wie es verheulte Kinder haben … es sah vielmehr leergeweint aus.“

Uns so sieht Traxler die „Führerperson“ mit den artig aufgereihten Perlchen:

Traxler greift die Ironie, den Humor, die implizite Kritik Kurt Tucholskys genial in seinen beeindruckenden Illustrationen auf.

Am meisten hat mit die Illustration beeindruckt, die die von Tucholsky beschriebene Einsamkeit des Mädchens verdeutlicht:
„Es war hie so allein. Es war unter den neununddreißig kleinen Mädchen ganz allein – und es hatte Angst. Sein Leben bestand eigentlich nur aus Angst. Angst vor dem Teufelsbraten und Angst vor den ältern Mädchen, die es anschwärzten, wo sie nur konnten, Angst vor dem nächsten Tag und Angst vor dem Vortag, was von dem nun wieder ans Licht kommen könnte, Angst vor allem, vor allem. Das Kind schlief nicht – es bohrte mit seinen Augen Löcher in das Dunkel.


Wer selbst mal in einem Kinderheim gewesen ist – und sei es nur vorübergehend – der weiß, wie treffend Tucholsky und Traxler die Atmosphäre dargestellt haben.
Dieser Roman bekommt durch die Illustrationen noch einmal eine andere Wertigkeit, die durch das Leinencover bereits haptisch spürbar ist, wenn man das buch in die Hand nimmt – jedenfalls für Bücher- und LeinenliebhaberInnen. Eine empfehlenswerte Sommerlektüre und feines Geschenk – zu jeder Jahreszeit.

Kurt Tucholsky, Schloß Gripsholm, Eine Sommergeschichte, Bilder von Hans Traxler, Büchergilde Gutenberg, Frankfurt/M. 2019, 176 S. ISBN 978-3-7632-6440-7

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