Marion Tauschwitz, Schlägt die Nachtigall am Tag

Marion Tauschwitz, Schlägt die Nachtigall am Tag

Schlägt die Nachtigall am Tag, singt ihr Lied von Leid und Klag. ist einer der „Wahrsprüche“ ihrer Großmutter, die der Ich-Erzählerin immer wieder durch den Kopf gehen, wenn sie in scheinbar unbewältigbaren Situationen steckt.  Und davon gibt es viele nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes, der vom Sport nicht mehr nach Hause kommt: Herzriss.
„Sie weinte nicht, sie brach nicht zusammen – sie stand sich, plötzlich der Welt fremd geworden, als Wit-we gegenüber. Die Szene bot keine Theatralik, kein rettender Kollaps schonte, keine Verzweiflung befreite, nichts warf sich dem Schock entgegen. Stille.“
Sie steht von jetzt auf gleich mit zwei kleine Kindern allein da, findet langsam in eine Welt, in der der „Sin-gular plötzlich alles beherrscht“. Einfühlsam beschreibt die Autorin (die auch die Domin-Biographie geschrieben hat) das Festhalten der jungen Witwe an Ritualen und die zunächst sehr behutsamen Versuche, ihre eigene Ordnung zu schaffen. Das Trauerjahr – gezeichnet durch die Formulierungen letzes Jahr um diese Zeit – ist zu Ende und dennoch wünscht sich die Ich-Erzählerin nichts sehnlicher als die Rückkehr ihres geliebten Mannes.  Das Wunder geschieht – er kann zurückkommen, als genau der, der er war. Und das Chaos beginnt.
Die Novelle zeigt sensibel die innere Zerrissenheit von Trauernden auf, froh zu sein, im eigenen Leben Fuß zu fassen und sich damit zugleich von der früheren gemein-samen Lebenswirklichkeit zu entfernen. Gleichzeitig wird deutlich, was passierte, käme der geliebte Mensch tatsächlich zurück. „Du bist nicht der, den ich wiederhaben wollte.“ – Wäre das nicht letztendlich die Erkenntnis aller Trauernden?

Marion Tauschwitz, Schlägt die Nachtigall am Tag, Novelle, Mainz 2010, 119 S., ISBN 978-3-940884-34-3

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