
Shulamit Lapid, Lokalausgabe

„Lokalausgabe“ ist Lisi Badichis – Reporterin bei der Zeit im Süden – erster Fall. Sie ist eine sehr engagierte, zugewandte, Menschen achtende Journalistin, die ihre Arbeit gern, sorgfältig und mit viel innerem und äußerem Engagement macht. In der Redaktion wird sie „Lisi die Bekloppte“ genannt.
Das stört sie nicht wirklich, lässt man sie nur arbeiten. Trotz ihrer Größe, war sie keine Frau, „die man groß bemerkte, obwohl man sie nicht gerade als leicht zu übersehen bezeichnen konnte – nicht mit ihren großen platten Füßen, die aussahen wie die Flossen eines Seehundes, und nicht mir ihrem großen Busen, der jeden, der es vielleicht vergessen haben könnte, daran erinnerte, dass es so etwas wie eine Schwerkraft auf der Welt gab.“
Mit fast dreißig ist sie noch Jungfrau, was ihr zu schaffen macht und sie hemmt, auf männliche Avancen einzugehen.
Daher ist sie fast erleichtert, dass Richter Hornsticks sie auf der Party seiner Frau, bekannte Bauingeneurin und Unternehmerin, über die Lisi Badichi berichten soll, beim Rundgang durchs Haus, auf dem Bett der angestellten Filippini, entjungfert. Außenstehende würden – den geschilderten Umständen nach – eher von einer Vergewaltigung sprechen. Doch Lisi denkt gar nicht daran, den Richter anzuzeigen, denn sie ist ihm beinahe dankbar, dass sie es „das erste Mal“ nun hinter sich hat.
Noch in der Partynacht wird die Frau des Richters tot aufgefunden. Sie ist mit der Waffe des Richters erschossen worden. Lisi versucht nicht bekannt werden zu lassen, was sich zwischen dem Richter und ihr ereignet hat, um nicht in den Kreis der Verdächtigen zu geraten, was nicht gerade einfach ist, da der ermittelnde Kommissar ihr Schwager ist, der sie ganz gut kennt. Und sie will als Reporterin nicht von diesem Fall abgezogen werden.
Die Reihe der Verdächtigen ist ziemlich groß und am Anfang – zumindest für mich, wegen der vielen unbekannten israelischen Namen, auch reichlich unübersichtlich. Viele hätten da ein Motiv: der Richter, Jacki Danzig, Klavierspieler der Party und Geliebte seiner Frau, Miriam, die eifersüchtige Schwester, einige Kibbuzim, für die die Bauingenieurin Wohnungen bauen sollte, die aber nicht mehr gebaut werden können, da das Geld dafür spurlos verschwunden ist. Im Verlauf der Ermittlungen gerät dann auch noch ein Briefmarkenhändler und Geldverleiher in Verdacht.
In den Erzählstrang um die Ermittlungen der Polizei und der Lisis, fügen sich dann immer wieder noch Erzählungen ihrer journalistischen Recherchen ein, bei denen sie immer unter Druck gegen die Konkurrenz zur „Post im Süden“ gerät, zumal ein Mitarbeiter der Post sich ständig in ihrer Reichweite aufhält und sie für sich nicht erkennen kann, ob die „Nettigkeiten“ des Kollegen ihr oder nicht eher ihrer Recherchen gelten.
Und dann verliebt sie sich auch noch in einen der Verdächtigen und gerät in Gefahr – von dem die ausgeht bleibt länger unklar.
Dieser erste Fall Lisi Baldinis, der 1996 mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet wurde, ist sicher lesenswerte Unterhaltung. Ich hätte mir aber gewünscht, dass weniger Längen, Wiederholungen, die vielleicht sogar als retardierende Momente fungieren sollen, vorhanden wären. Mich haben sie eher gelangweilt als ungeduldig hinsichtlich des Ausgangs der Ermittlungen gemacht.
Shulamit Lapid, Lokalausgabe, Lisi Badichis erster Fall. Kriminalroman, a.d. Hebräischen v. Mirjam Pressler, Dörlemann Verlag, Zürich 2022, 349 S., IDBN 978-3-03820-108-3
4 Gedanken zu „Shulamit Lapid, Lokalausgabe“
Das Buch kann ich nicht beurteilen, aber deine Besprechung finde ich echt spannend. :–)
Merci und einen lächelnden Gruss ins Heute,
Brigitte
Danke für deine so wertschätzende Rückmeldung.
Ein Buch kann man ja auch erst dann beurteilen, wenn man es gelesen hat, insofern bin ich inzwischen eher erfreut und erstaunt, überhaupt Rückmeldungen zu Rezensionen zu bekommen. Sie sind für mich als Anregungen zum Lesen – für unterschiedliche Interessent*innen – gedacht.
Nur literarisch echt grottenschlechte Bücher rezensiere ich nicht.
Liebe Grüße
Auch ich kenne das beschriebene Buch nicht, habe aber selbst schon des öfteren festgestellt, dass es sehr schwierig sein kann, einen Spannungsbogen aufrechtzuerhalten, wenn von zu vielen Orten und Personen erzählt wird.
Ich lese gerne Krimis. Obwohl ich Gewalt aufs Tiefste verabscheue.
Was mir manche Krimis lesenswert macht, ist, wenn Autor*innen viel Ahnung haben, wie es in den Tiefen und Winkeln der menschlichen Seele aussieht – Abgründe.
Besonders toll finde ich, wenn beim Schreiben auch wissenschaftlicher Rat eingeholt wird.
Sehr spannend finde ich beispielsweise den Roman “ Ein Ort für die Ewigkeit“, Val McDermid.
Liebe Grüße!
Erst einmal: herzlichen Dank für deinen so ausführlichen Kommentar.
Krimis zu mögen, bedeutet für mich auch nicht, Interesse, gar Freude an Gewalt zu haben. Ich bevorzuge ebenfalls Krimis, in denen es eher darum geht zu verstehen, weshalb jemand zum Täter, zur Täterin geworden ist. Und Verstehen, Nachvollziehen bedeutet auch nicht gleichzeitig, , die Tat zu rechtfertigen.
„Ein Ort für die Ewigkeit“ kenne ich noch nicht, danke dir aber für diesen Tipp. Gerne auch mehr.
Herzliche Abendgrüße – dankbar nach diesem fast sommerlichen Tag.