Tiziano Terzani, Fliegen ohne Flügel
Was erlebt ein Journalist des SPIEGELS, der sich – angeregt durch die Prophezeiung eine Wahrsagers, er laufe 1993 Gefahr zu sterben, wenn er fliege – entschließt, aufs Flugzeug zu verzichten und ein Jahr lang mit allem zu reisen, was keine Flügel hat? Hört sich vergleichsweise leicht an, doch wenn er als Reporter in Asien arbeitet mit zum Teil geschlossenen Grenzen, die offiziell nur per Flugzeug zu passieren sind? Was dann? Dann lernt er ein Asien kennen, das sich auf der einen Seite stark westlich, nahezu ausschließlich materialistisch orientiert und auf der anderen Seite noch sehr traditionell ausgerichtet ist, mit allen dazu gehörenden Widersprüchlichkeiten. Dazu gehört, dass beinahe jeder vor wichtigen persönlichen, aber auch der Politiker vor anstehenden politischen Ent-scheidungen Wahrsager konsultiert, die auf diese Weise Einfluss gewinnen.
Erfindungsreichtum, das Spielen lassen von Kontakten öffnen Grenzen dann doch, so dass Terzani bei allen politisch wichtigen Entscheidungen dabei sein und darüber berichten kann, nicht ohne sich stets nach den besten Wahrsagern der Stadt, der Gegend zu erkundigen und sie auch aufzusuchen, um die Aussagen und ihre Gültigkeit danach miteinander zu vergleichen und sich Gedanken darüber zu machen – auch über die Tatsache, dass das eine oder andere dann auch tatsächlich eintritt. Zufall?
Einblicke erhält man auch in Terzanis Gedanken über das Leben allgemein, über dessen Sinn oder Un-Sinn und in seine Gedanken übers Rentenalter, über das Alter also, in dem man seine gesellschaftlichen Pflichten (u.a. Kinder zeugen und arbeiten) erfüllt hat: “ Die Rente als der Lebensteil, in dem man bezahlt wird, damit man nichts tut? Welch ein Mißverständnis auch dies! Wiederum eine ganz materialistische Deutung des Alters! Die Rente ist eine schöne Sache für den, der zu malen, zu angeln, bergzusteigen oder Romane zu schreiben hat. Für mich bedeutet dieses Voranschreiten im Alter nur, freimütiger, unbekümmerter zu werden, zunehmend das zu sagen, was ich denke, mich mit dem zu beschäftigen, was ich für richtig halte.“ (S. 232 f.) Dennoch kein Buch für RentnerInnen, oder diejenigen, die es – in absehbarer Zeit – werden wollen, sondern eher für Reiseinteressierte.
So alt, wie die meisten Wahrsager vorhergesagt haben, ist Terzani dann aber doch nicht geworden. Er starb 2004 an seinem Krebsleiden. Über seinen Umgang mit, seine Einstellung zu dieser Krankheit hat er in „Noch eine Runde auf dem Karussell“ geschrieben.
Tiziano Terzani, Fliegen ohne Flügel, Eine Reise zu Asiens Mysterien. Aus dem Italienischen von Elisabeth Liebl und Rita Seuß, München, 5. Aufl. 1998, 478 S., ISBN: 978-3-442-12952-2
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