Tina Solimann, Funkstille
Tina Solimann hat „Funkstille“ geschrieben, nachdem sie mit ihrer Dokumentation „Für mich bist du gestorben“ eine ungeahnte Resonanz ausgelöst hat. Wie Angela Kindt mit ihrem Buch „Wenn Kinder den Kontakt abbrechen“ spricht sie ein Thema an, das offensichtlich viele betrifft, über das aber erst in jüngster Vergangenheit öffentlich ge-sprochen und nachgedacht wird: den Kontaktabbruch zwischen Menschen, die sich sehr nahe stehen.
Sie beginnt mit einer Erklärung des Titels, einem Begriff aus der Schifffahrt, der die Einstellung des Funkverkehrs bedeutet, „um den Empfang von Notsignalen sicherzustellen.“ Der Buchtitel „Funkstille“ ist Be-zeichnung für einen Vorgang, der „den plötzlichen und wortlosen Abbruch einer Beziehung“ bezeichnet, gleich-zeitig ein „wissenschaftlich noch unerforschtes Phänomen, von dem noch keinerlei Zahlenmaterial vorliegt„.
In diesem Buch geht Solimann – gut lesbar, verständlich und nachvollziehbar- zum einen der Frage nach, weshalb Menschen (scheinbar) ohne Vorwarnung den Kontakt zu ihnen nahe stehenden Personen – der Mutter, der Schwester, der Freundin – abbrechen und diese Funkstille teilweise über Jahrzehnte aufrechterhalten trotz Kontaktangeboten, und zum anderen, was damit „zur Sprache“ gebracht werden soll.
Denn nach Wazlawick ist es nicht möglich, nicht nicht zu kommunizieren. Sie interviewt Verlassene und Abbrecher und versucht Gründe, Motive herauszufinden, die zum Abbruch geführt haben. Gründe sind zum einen in der Person des/der Verlassenen und in der des Abbrechers zusuchen, möglicherweise aber auch gesellschaftspolitisch begründet, wenn es sich um Menschen der Kriegsgeneration handelt, die in der Regel nicht gelernt haben, sich, ihre Gefühle zu kommunizieren bzw. überhaupt so etwas wie Kommunikationskultur und/oder Konfliktbewältigung zu entwickeln.
Ob die Wahl der Funkstille als unangemessene Strafe bewertet wird oder als einen Akt der Notwehr hängt vom Standpunkt der Beteiligten ab. Darüber hinaus versucht sie mit Fachleuten wie Therapeuten und Psychologen die „ambivalente Situa-tion der Funkstille“ zu verstehen, Antworten nach dem Warum näher zu kommen und auszuloten, unter welchen Umständen Funkstille doch etwas Gutes hat, falls sie nicht als Manipulation, als Machtinstrument eingesetzt wird, den anderen zu bestrafen bzw. ihn zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen :
„Sie macht darauf aufmerksam, dass ein massiver Konflikt besteht, etwas, was jemand vorher vielleicht überhaupt nicht wahrgenommen hat. Gerade für die Situation, in der die verlassene Person alle Signale überhört hat, ist in dem Moment klar: Da ist etwas Massives vorgefallen, und wenn es gelingt, das zu klären, dann ist es auch möglich, die Beziehung zu retten.“
Doch: „Das setzt aber intensive Arbeit voraus“ und die Bereitschaft beider Beteiligten. Dann und nur dann könnte Funkstille tatsächlich ein reinigender Donnerschlag ge-wesen sein.
Für die Zukunft müsste dann aber auch klar sein, „dass die Funkstille kein adäquates Mittel zur Lösung von Konflikten ist.“ Es ist ein Buch, das die Möglichkeit bietet, sich sein eigenes Konfliktverhalten zu verdeutlichen und das Verhältnis zu den Eltern und zu den eigenen Kindern zu reflektieren, so denn Handlungsbedarf besteht.
Tina Solimann, Funkstille, Wenn Menschen den Kontakt abbrechen, Stuttgart 2011, 196 S., ISBN 978-3-608-94562-1
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