Beziehung
Ich hab das „Ich“ verlernt und weiß nur: wir.
Mit der Geliebten wurde ich zu zwein;
und aus uns beiden in die Welt hinein
und über alles Wesen wuchs das Wir.
Und weil wir Alles sind, sind wir allein.
(Rainer Maria Rilke)
Viele wünschen sich Beziehungen, leben in Beziehungen und fühlen sich dennoch allein, isoliert, einsam, weil sie sich nicht gesehen, wertgeschätzt fühlen und immer auf Veränderungen der anderen hoffen, die sie doch bitte sehen, wertschätzen und achten sollen.
Nur funktioniert das in der Regel nicht, weil man aus der emotionalen Abhängigkeit, die in vielen Familien als Liebe „verkauft“ wird, so sicher nicht herauskommt. Warum erwartet man von anderen etwas, wozu man oft selbst nicht in der Lage ist?
Verstehe ich mich denn selbst, weiß ich genau, was mir guttut? Oder habe ich eher gelernt, mich den Anforderungen der anderen anzupassen, weil das der Preis war, dazugehören zu können, zu dürfen? Habe ich dann aber tatsächlich dazugehört oder mich mir selbst nicht eher entfremdet?
„Ich glaube daran, dass das größte Geschenk, das ich von jemandem empfangen kann, ist, gesehen, gehört, verstanden und berührt zu werden. Das größte Geschenk, das ich geben kann, ist, den anderen zu sehen, zu hören, zu verstehen und zu berühren.
Wenn dies geschieht, entsteht Beziehung.“
(Virginia Satir)
Genau das wäre aus meiner Sicht die Aufgabe von Eltern, ihre Kinder als das größte Geschenk zu betrachten und sie in ihrem essentiellen So-Sein zu unterstützten, sie sich entfalten zu lassen. Dass das ohne Grenzen und Regeln in einer Gemeinschaft nicht geht, ist mir klar.
Doch das Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit in einer Beziehung lässt einen auch Konflikte aushalten und austragen, um die Regeln des Miteinanders zu neu zu definieren. So würden Kinder lernen, beziehungsfähig zu sein, auf sich und andere zu achten und damit gleichzeitig ihr Bedürfnis nach Freiheit und Individualität nicht aufzugeben.
Das ist wahrscheinlich der Balanceakt in vielen Beziehungen. Lebenslang.
10 Gedanken zu „Beziehung“
Da sagst du Wahres.
Virginia Satir, hier angeführt, gefällt mir sehr. Wir nahmen vor Jahren teil an Seminaren zur Familienrekonstruktion, die haben enorm nachgewirkt!
Gruß von Sonja
Ist eine Familienrekonstruktion so etwas wie Familienstellen? Das würde mich interessieren.
Liebe Grüße, verziert mit Sonnenstrahlen.
Wenn jemand in einer Beziehung lebt und sich trotzdem allein und isoliert fühlt, ist tatsächlich etwas total schief gelaufen.
Da heisst es dann entweder, sich zu trennen oder professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Zum Glück fühle ich mich in meiner Beziehung bestens aufgehoben, da stellen sich solche Fragen nicht.
Lieben Gruss,
Brigitte
Wie gut und erfreulich, dann musst du da ja auch nicht nach Antworten suchen und dir keine Gedanken machen.
Liebe Morgengrüße
Genau. :-)
Der von mir so geschätzte Gedankenzugang von Virginia Satir ist ganz sicher einer der wichtigsten, den ich über „Beziehung“ jemals gelesen habe.
Ja, wo Sicherheit gespürt wird, da können wir auch Konflikte aushalten und lösen.
Deinen Überlegungen kann ich bestens folgen, auch, was emotionale Abhängigkeiten in Familiengefügen betrifft.
Liebe Grüße, C Stern
Die Frage ist dann, wie Eltern Sicherheit und Geborgenheit vermitteln können, wenn sie oft selbst genau das nicht erfahren und erlebt haben.
Herzliche Grüße
ach, immer diese „großen worte“ …. ich glaube ja, dass es nicht immer gleich das „größte geschenk“ und sonst immer gleich so „hehre“ worte sachen sein müssen. oft ist kleiner, stiller, bescheidener, normaler besser, weil konkreter, realer, möglicher: aufs tun bezogen nicht auf „hohe worte“ und ideen/gedanken/erklärungen, am besten gleich für die ganzen welt.
Um grammatisch zu sprechen: mehr Verben statt Nomen! ;)
Liebe Grüße, Andrea
Was genau empfindest du als „hehre“ Worte und wer soll mehr Verben benutzen?
So genau kann ich deine Kritik nicht nachvollziehen.
Liebe Grüße
ich meine es nicht als kritik, sondern eher als zusätzliche perspektive. mehr tun als übers tun reden.
das meine ich. die anforderungen herunterschrauben … nicht immer in den allerhöchsten zielen „schwelgen“: „,,, den anderen zu sehen, zu hören, zu verstehen und zu berühren“ (selbstredend mit wertschätzung und was es da sonst noch so alles gibt) – wo es vielleicht besser wäre, den anderen einfach mal anzurufen. ohne „anforderungskatalog“ für sich und den anderen im hinterkopf zu haben. es einfach auch mal „billiger geben“. einfacher. loslassen. dann wirds nichts nur leichter, sondern auch schöner.
liebe grüße, andrea