Sortieren

Sortieren

Das ist ein alter Hobel meines Tischlergroßvaters – der kommt nicht weg ;)

Ich sortiere mal wieder aus. Das oft gebräuchliche Wort „ausmisten“ mag ich nicht, denn es ist kein Mist, von dem ich mich trenne. Ich sortiere also aus, freiwillig und ziehe nicht um, wie so oft in meinem Leben. Aber vieles hat sich überholt, brauche ich nicht mehr, ist einfach beschädigt und/oder nicht mehr schön. Oder muss ich nicht mehr aufbewahren, weil die Aufbewahrungspflicht abgelaufen ist.

Dass Aussortieren ist für mich meist ein hochemotionaler Vorgang: Dinge lassen Erinnerungen, gute und weniger gute hochkommen und damit verbundenen Gefühle, Wehmut kommt auf beim Anblick des vielen Geschirrs, der Gläser, die an die Treffen erinnern, die – aus mancherlei Gründen – der Vergangenheit angehören. Und nicht nur coronabedingt. Erinnerungen an Menschen, die nicht mehr eingeladen werden können, weil sie inzwischen gestorben sind oder nicht mehr eingeladen werden wollen, weil sie aus meinem Leben verschwunden oder gegangen sind.
Nur gut, dass das Aussortieren dieses Mal freiwillig ist, ich es in meinem Tempo vornehmen kann, weil nicht zu einem bestimmten Termin der Möbelwagen vor der Tür steht. Dennoch gibt es Termine: der Sperrmülltermin, die Diakonie, die zu bestimmten Zeiten gebrauchte Gegenstände für ihr Sozialkaufhaus sammelt …

Dass es nicht nur für mich gefühlt manchmal nicht nur körperlich anstrengend ist, erleichtert:

„Isra und ich sortierten unsere Habe in Kartons: Dinge, die uns begleiten, und Dinge, die wir zurücklassen würden. Wir kamen nur langsam voran, wohl auch weil es eine Trauerarbeit war. An manchen Abenden, wenn ich meine Bücher und Notizen durchging, oder auch nur eine Schublade voller Kleider, hatte ich das Gefühl eine Ruine zu durchsuchen, die Überreste eines Lebens zu sieben, von dem ich geglaubt hatte, dass ich es leben würde, das nun aber nicht mehr existierte.“ (Johannes Anyuru, Sie werden in den Tränen ihrer Mütter ertrinken, Luchterhand, S. 289)
Und ja, Zeit zum Lesen finde ich immer noch.

Beim Aussortieren müssen viele Entscheidungen getroffen werden: Brauche ich diese Dinge noch?

4 Gedanken zu „Sortieren

  1. Es geht mir ganz ähnlich!
    Nachdem ich so zufrieden das Buch „Der Brand“ von Daniela Krien ausgelesen habe, bin ich auf der Suche nach nächster Lektüre. Bei dir finde ich Anregung. Danke!
    Gruß von Sonja

  2. Ob dieser Roman, den ich in den nächsten Tagen besprechen werde, etwas für dich ist, weiß ich nicht. Er ist insgesamt sehr verstörend. Es geht um einen terroristischen Anschlag in Schweden, über den ein Schriftsteller – selbst Muslim – schreibt, nachdem er mit einer Beteiligten – mittlerweile in der Psychiatrie – und ihren Anverwandten gesprochen hat.
    Liebe Grüße

  3. Ja, dieses Aussortieren muss mit viel Bedacht und Sorgfalt geschehen. Denn was einmal weg ist, kann man nicht zurückholen.
    Ich übe mich auch immer wieder darin, mal intensiver, mal weniger.
    Dir ein gutes Händchen (oder zwei) dabei!
    Lieben Gruss,
    Brigitte

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