Ulrike Draesner, Eine Frau wird älter

Ulrike Draesner, Eine Frau wird älter

Manchmal, wenn ich nachts nicht schlafen kann, höre ich Radio. Dort habe ich einem interessanten Gespräch/Interview mit der Schriftstellerin Ulrike Draesner zugehört, das mich dazu animiert hat, Bücher von ihr zu bestellen. Das erste: „Eine Frau wird älter“ – Ein Aufbruch. Es ist eine interessante, kritisch humorvolle und gleichzeitig poetische Auseinandersetzung mit den Wechseljahren der Frau in unserer heutigen Gesellschaft.

Ulrike Draesner lässt Recherchen, Berichte anderer Frauen, eigene Erfahrungen, Romane anderer Schriftstellerinnen einfließen, die deutlich machen, dass das Thema „Wechseljahre“ immer mit vielen Vor-Urteilen und alten Klischees behaftet ist, über das viel spekuliert und wenig konkret gewusst wird. Ein Bereich, in dem sich dennoch allmählich Veränderungen einschleichen und damit neue Begriffe wie:

„Altersfreiheit“, „Altersgewinn“

Wechseljahre bzw. „Wechselzeit“ als Zeitöffnung,
in der ein „Lebensgelingensdruck“ nicht mehr sein muss, es sei denn, man denkt immer noch zu eng.

Dann kann diese Zeit eine „geschenkte Öffnung in der Zeit sein„, in der der sich ein neues Ich herausbildet. In der man sich daran erinnert:
„Wie das, was man war, sich allmählich auflöste – nicht aber verblühte, sondern hineinblühte in eine andere Form, um in dieser Form als Teil der eigenen Geschichte neu zu erscheinen und aufzugehen.“

Oder eine Zeit, in der man/frau sich wohlfühlt, nämlich z.B. als „Mörderin“:

„Munter beschäftigte ich mich damit, Gewohnheiten und seit Jahren gehegten Lieblingsansichten den Garaus zu machen. Wenn es schon so war, das die alte Identität sich ohnehin auflöste, … wenn man schon litt und schwitzte, schlecht schlief und als Möbelstück betrachtet wurde, wenn man so oder so die Kontrolle verlor, rutschte und in eine Verwandlung gezwungen wurde, … sollte man sich wenigstens das zweite und dritte Ich gönnen.
So sagte ich. Bei mir dachte ich: Wer bin ich? Wer will ich noch werden?“


Eine ihrer Tanten ist für sie Vorbild, obschon – oder vielleicht gerade weil – das Leben seine Zeichnung in sie trug, es sich in ihr spiegelt. Die Tante „konnte nicht sagen, was an ihr dafür sorgte, dass man sie anblickte, anlächelte, sie zuvorkommend behandelt. Nur eines wusste sie: Es hatte damit zu tun, dass sie im Sommer einmal in der Woche einen Zettel auf den Küchentisch legte, „Tante Ille geht fischen“, und für Stunden verschwand:“

An einem Weiher, zu dem sie allein mit der Straßenbahn fuhr, fand sie, was sie suchte; „Sie verlor sich für einen Tag.“

Das Buch ist eine wunderbare Gelegenheit, Rückschau auf die eigene weibliche Entwicklung zu halten, sich hinsichtlich eigener Denk- und Verhaltensmuster Klarheit zu verschaffen was den Umgang mit dem Älterwerden betrifft und der Frage: Wie alt bin ich eigentlich?

Ich finde es gut lesbar und lesenswert – vor allem ist es kein „Rat-Schlag-Buch“.

Ulrike Draesner, Eine Frau wird älter. Ein Aufbruch, München 2018, 204 S., ISBN 978-328-60002-2

6 Gedanken zu „Ulrike Draesner, Eine Frau wird älter

  1. Es ist für mich zu lange her.
    Es wird gesagt, dass ich damals eine arge Kratzbürste gewesen sei. Jetzt wohl wieder ein sanftes Duldungsschaf. Was ist besser? Eine müßige Frage.
    Gruß von Sonja

  2. Da ich mich inmitten dieser oft schlaflos und aufreibend gedankentief machenden, hormonschlingernden Zeitqualität einer Frau befinde, sprechen mich die dargebrachten Themen sehr an und ich werde das Buch ganz sicher lesen. Steht bereits auf meiner Büchereinkaufsliste.

    Ich erachte diese Zeit des Älterwerdens als eine der bewussteren Wahl. Daher vielen Dank für den wertvollen Buchtipp. Ich sortiere gerne , trachte immer wieder danach, loszulassen, was in meinem Rucksack des Lebens unnütz, zu schwer geworden ist.

    Liebe Grüße! Eine, die sich in ihrem Spätsommer befinden könnte.

    1. Das Buch enthält sicherlich einige Impulse, über die es lohnt nachzudenken. Vor allem kann man/frau hier und da die eigenen, so wirkmächtigen Glaubenssätze hinsichtlich des Älterwerdens erkenn, überprüfen und ggf. über Bord werfen.
      Viel Freude bei der Lektüre.

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