Friedrich Torberg, … und glauben, es wäre die Liebe

Friedrich Torberg, … und glauben, es wäre die Liebe


Nach „Schüler Gerber“ ist es der zweite Roman Friedrich Torbergs, der 1932 erschienen und nun im Milena Verlag neu aufgelegt worden ist. Es ist ein Roman in Form von Tagebucheintragungen, inneren Monologen und zum Teil auch Briefen von acht jungen Leuten, alle im Alter von etwa zwanzig Jahren, eine Art Clique, die sich – in wechselnder Zusammensetzung – in Kaffeehäusern oder auch im Schwimmbad trifft, manchmal auch gemeinsame Ausflüge macht.

In diesen Beiträgen reflektieren die Einzelnen auf unterschiedlich tiefen Ebenen ihr eigenes Verhalten, ihre Gefühle, ihre Sicht auf Welt und ihre Art, mit den anderen aus der Gruppe umzugehen. Da gibt es einige, die mehr oder weniger nur „nacherzählen“, was gewesen ist, andere gehen intellektuell philosophisch oder aus literarischer Perspektive an die Ereignisse heran.

Auffallend ist bei nahezu allen, der Widerspruch zwischen ihrem Anspruch, ihrem Denken und ihrem Handeln. Freie Liebe scheint überhaupt kein Thema zu sein und ist es dennoch. Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit als hehre Ziele, beanspruchen beinahe alle. Im Umgang miteinander herrscht aber eher eine Atmosphäre von Misstrauen, Heimlichkeiten, Reden über statt mit jemandem. Vieles, was wichtig ist, wird erst gar nicht angesprochen, findet den Weg zum Leser nur über die Tagebucheintragungen, im realen Kontakt werden Gefühle eher ausgeblendet und auf gar keinen Fall aus- oder angesprochen. Wie sollte das auch gehen? Die Kontakte bleiben – trotz mancher Intimitäten – oberflächlich. Was hält die Gruppe in verschiedenen Formationen doch zusammen?

Für Hans ist es wohl Flucht vor dem Alleinsein und dem damit vielleicht verbundenen Gefühl von Einsamkeit, dem er sich nicht aussetzten will:
„Über die eigene Trostlosigkeit tröstet einen schließlich die der anderen ganz gut hinweg, auch die eigene Leere ist überaus geringfügig im Verhältnis zu Leere ringsum. Menschen, Menschen sind wir alle … . Ich würde mich ja manchmal ganz gerne erschießen -aber ich bin halt so gegen Knalleffekte, selbst wenn es sich um mich handelt, und ich glaube an keine Tragik, auch an meine nicht.“

Peter Busch, ein anderes Mitglied, dagegen unternimmt einen Selbstmordversuch und weist seine Freunde, die sich anschließend um ihn kümmern wollen, zurück:
„Busch ließ die beiden also ziemlich unzweideutig wissen, daß er auf keine Fortsetzung und keine Wiederanbahnung und überhaupt auf nichts neugierig wäre, was mit dem Früheren im mindesten zu tun hätte.“

Worum geht es wirklich?
Da ist Tanja, die bewusst mit ihren Geheimnissen spielt, die sie immer wieder andeutet, aber nie wirklich preisgibt. Manchmal entsteht der Eindruck, dass sie selbst nicht so wirklich weiß, weshalb sie sich in diesen Andeutungen ergeht. Sie sei mit jemandem zusammen, vermittelt das auch den anderen aus der Clique, und dann ist dem doch nicht so. „Liebeswirren einer Handvoll junger Menschen“, so beschreibt Peter Zimmermann es in seinem Nachwort sehr zutreffend. Sie verhalten sich, als seien sie der Nabel der Welt, losgelöst von den politisch und gesellschaftlichen Tendenzen in den Dreißigern des letzten Jahrhunderts. Nur ein zwei Sätze machen deutlich, dass sie die hohe Arbeitslosigkeit und ihre Folgen schon wahrnehmen.

Doch in ihrer inneren und äußeren Welt ist das eher kein Thema. Eher im Gegenteil: Hans träumt von einer Zukunft mit Golfschläger, einem kleinen Bugatti und einem großen Rolls Royce, genau wissend, dass das als „Lebensinhalt sehr dürftig erscheint, aber mit diversen Annehmlichkeiten verbunden ist wenn man es erst einmal vermöge seiner Strebsam-, beziehungsweise Tüchtigkeit „so weit“ gebracht hat.“

Walter Grohmann, ein Möchtegern-Schriftsteller, ist an Tanja interessiert und bemüht sich intensiv um sie. Dennoch fragt man sich, was ist es, was die beiden verbindet und dann doch wieder nicht. Walter selbst gibt zum Schluss eine Antwort:

„Ja ich liebte sie, ich liebte meine Liebe zu Tanja, nicht Tanja liebte ich. … aber wie konnte es denn soweit kommen, daß mir die Liebe überwichtig wurde, und die, der sie galt, bis zum Entschwinden unwichtig? … Und daß es nicht die Liebe wurde, wie ich sie mir vorgestellt hatte, das liegt nicht an Tanja, sondern an meiner Vorstellung. Ich wollte Liebe ohne Lüge, ich wollte wahre Liebe, und die gibt es nicht. Liebe kann restlose Wahrheit weniger vertragen als irgendetwas andres auf der Welt, ein wenig Lüge muß dabei sein.“

Hat also seine Vorstellung von Liebe, sein Plan, über die Liebe einen Roman zu schreiben auf der Grundlage von Tagebucheintragungen der beteiligten Personen, ihn gehindert, sich auf die Person, die er liebte einzulassen? Doch seine Bereitschaft allein hätte nicht genügt. Denn Tanja konnte oder wollte mit ihm seine Vorstellung von Liebe nicht leben. Walter nimmt dann Abschied von Tanja bzw. sie von ihm – sie verschwindet einfach, während er schläft, ohne eine Nachricht zu hinterlassen und von seinem Roman-Vorhaben:

„Ich werde den Roman, über den wir schon soviel gesprochen haben, nicht schreiben. … ich werde ihn nicht schreiben der einzigen Tatsache wegen, daß es die Liebe, die sein Gegenstand hätte werden sollen, nicht mehr gibt. Ich wollte einen „reinen“ Liebesroman schreiben, einen, der von nichts anderem handelt als von Liebe – indessen handelt die Liebe selbst schon von anderem.“

Ob dieser Roman Torbergs nun ein Liebesroman ist oder nicht, muss jeder für sch selbst entscheiden. Es ist auf jeden Fall ein Roman über die Liebe, aber kein leicht zu lesender, da äußere Handlung nahezu komplett fehlt, die Beziehungen der einzelnen Personen zueinander nicht immer klar und eindeutig sind und man als Leser zu Beginn von Personen hört, von denen man selbst noch nichts gelesen hat. Auch die Sprache, die zum Teil sehr verschachtelten Sätze, ist Herausforderung, die noch durch das Einflechten theoretischer Erörterungen über literarische Romane und ihr Verhältnis zur Wirklichkeit erhöht werden.

Friedrich Torberg, … und glauben, es wäre die Liebe, Milena Verlag, Wien 2017, 366 S., mit einem Nachwort v. Peter Zimmermann, ISBN 987-3-902950-96-3

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