günter abramowski, zu sein/das haus/auf dem weg
Nach „das ende ist neu“ ist ein weiterer Gedichtband von Günter Abramowski erschienen „zu sein das haus auf dem weg“. Er enthält etwa einhundert Gedichte, wie immer meist ungereimt, in durchgängiger Kleinschreibung und dem kaufmännischen Zeichen für „und“. Insofern ist sich der Autor treu geblieben.
Das lyrische Ich scheint durchgängig ein älterer Mensch zu sein, vielleicht sogar bettlägerig „lieg alt im bett“, das Erinnerungen skizziert, existenzielle Fragen stellt und sich klar darüber wird, was sein Leben ausgemacht hat und noch immer ausmacht, etwa sie Frage „wem war ich wer“?, „was macht uns menschlich“? Oder das „tauchen nach wahrheit“:
jeder seines weges
freie geister
tauchen tief
raum & zeit
bergen schätze
ihr denkt wir tauchen nach perlen
wir wissen wir tauchen aus liebe
ihr denkt wir tauchen nach liebe
wir aber tauchen nach wahrheiten
träumt
euren göttern ein ewiges reich
wir erleben einander
jeder seines weges
Ein durchgängiges Motiv ist das des Hauses, das „viele Zimmer“ hat und „immer offen“ ist
ihrer schöpfer
empfindungen zu teilen
lebendig zu machen begegnungen
in neuen freuden
sagend unsere ungeteilten leben
in unausgesprochenen worten
Sein Haus hat „keinen anfang“
sondern ist ein haus dort
in dem ich war und werde
„Kinderherzenfantasien“, Träume, Erinnerungen, Erfahrungen mit sich selbst und Mit-Menschen prägen die Inhalte der Gedichte, die Stimmung ist teilweise melancholisch, denn das lyrische Ich ist sich der Endlichkeit bewusst, der Tatsache, dass die längste Lebensspanne hinter ihm liegt. Und doch blinkt da immer wieder selbstbewusste Hoffnung auf:
mein wille bleibt in meinen händen
dass ich tue was ich kann
diese welt braucht jedes licht
„bin für heut zum leben bereit“ und dazu, dem eigenen Licht zu vertrauen:
leuchte
dein ewiges leben lang
ausgeburt des bewusstseins
leuchte
du bist keine leuchte
sagen die führer
du musst geführt sein
das stimmt nicht
in der dunkelheit schaust du
in eignem licht
Diese Gedichte – wie die meisten anderen auch – lassen sich nicht einfach hintereinander weglesen, konsumieren. Sie müssen verdaut werden und das dauert, je nachdem, wie man als LeserIn mit den Gedichten in Resonanz geht.
günter abramowski, zu sein das haus auf dem weg, gedichte, Roderer Verlag, Regensburg 2022, 104 S., ISBN 978-3-89783-975-5
2 Gedanken zu „günter abramowski, zu sein/das haus/auf dem weg“
Das scheint eine eigene Stimme zu sein, mit spannenden Wendungen, präzise gesetzten Worten.
Auch der Titel, der wohl Programm ist, gefällt mir.
Lieben Gruss,
Brigitte
Ja, die hat er auf jeden Fall.
Herzliche Grüße