Weiter Horizont
Das ist’s, was mich hier so entzückt:Diese unbedingte Weite,dieser Horizont in Tief‘ und Breiteverschwenderisch hinausgerückt. (Christian Morgenstern)
Das ist’s, was mich hier so entzückt:Diese unbedingte Weite,dieser Horizont in Tief‘ und Breiteverschwenderisch hinausgerückt. (Christian Morgenstern)
Da draußen regnet es weit und breit.Es regnet graugraue Verlassenheit.Es plaudern tausend flüsternde Zungen.Es regnet tausend Erinnerungen.Der Regen Geschichten ums Fenster rauscht.Die Seele gern dem Regen lauscht. Der Regen hält dich im Haus gefangen.Die Seele ist hinter ihm hergegangen.Die Insichgekehrte ist still erwacht,Im Regen sie weiteste Wege macht.Du sitzt mit stummem Gesicht am Fenster,Empfängst den Besuch der Regengespenster. (Max Dauthendey)
Wendelin Kretschnuss, ein Schattenschwanzeichhörnchen, Sciurus vulgaris, ist der Ich-Erzähler in Ulla Hahns neuem Roman „Tage in Vitopia“, der wortreich, wortwitzig von dem erzählt, was er in der Welt erlebt. Seine Welt sind zunächst die Bäume vor einer Hamburger Villa in Alsternähe. Er lebt dort mit seiner geliebten Muzzli – die Kinder sind schon aus dem Nest – und beobachtet Maria Schön und Josef Regen, die in der Villa wohnen. Ihre Art zu leben ist ihm zunächst ziemlich unverständlich. Wände voller…
Lichte Momente frühmorgens im Novembertragen durch den Tag. (© mona lisa)
Wohin gehen wir? Immer nach Hause. (Novalis)
Streiflichter und SchlagschattenSchlaffheit, Stumpfsinn überall,Langeweile, Unbehagen,Unter hohler Floskeln SchwallSchlechtverhehltes Selbstverzagen,Toller Luxus, Schwindelei,Statt Genuß – Betäubung, Leere,Der Verarmung RiesenschreiBei des geist’gen Druckes Schwere;Knechtsinn und Prostitution,Schmutz und übertünchter Firnis,Dogmenstreit für ReligionUnd für Recht – Ukasen-Wirrnis,Mechanismus statt Genie,Und kein Fünkchen Poesie. (Friedrich Wilhelm Wanderer)
„Ich arbeite gerne zusammen mit den Toten.“ Eine Bestatterin in einem Radiointerview. Wie wohl eine solche „Zusammenarbeit“ aussieht?!
In ihrem neuen Buch „Tage in Vitopia“ von Ulla Hahn habe ich eine interessante Verbindung von Lesen und Auferstehung gefunden. Zunächst verwundert sich der Ich-Erzähler, ein Eichhörnchen, über die Formulierung, die er aufgeschnappt hat: „Nicht mehr unter uns.“ Er reagiert mit Erstaunen und Verwunderung: „Tot? Kommt doch nur auf uns an, die Toten ins Leben zu locken. Ihnen die Hand ins Leben zu reichen. Ihnen unsere Augen, Hirn und Herz, unsere Sinne zu leihen.“ Und stellt eine Verbindung zwischen Lesen…
„Der Mensch ist erst dann reif, wenn er mit dem Tod zu rechnen beginnt, ihn ins Leben einkalkuliert und die Spanne Zeit, die uns gegeben ist, völlig greifbar ist. Wenn man das weiß, ist das Leben um uns und unser eigenes einer Kristallisation gleich geworden.“ (Zitat von Maria Lassnig, aus: Kirstin Breitenfellner, Maria malt, S. 443)
Auf der Grundlage zahlreicher Dokumente – Tagebücher, Briefe, Radio- und Fernsehsendungen, Zeitungsartikeln und Büchern über Maria Lassnig – hat Kirstin Breitenfellner einen lesenswerten, interessanten, sehr ausführlichen und nicht linear erzählten biografischen Roman über diese Künstlerin geschrieben, der aus wechselnden Perspektiven – personale und Ich-Perspektive – ein Verstehen, jedenfalls in Ansätzen, ermöglicht. Maria Lassnig ist als uneheliches Kind bei ihren Großeltern aufgewachsen und erst zu ihrer – nach Höherem – strebenden Mutter gekommen, als diese durch die Heirat mit einem selbstständigen…